Gesundheitskiosk: Apotheker vermietet nur Lothar Klein, 17.10.2017 08:03 Uhr
Als niederschwellige Anlaufstelle in Gesundheitsfragen versteht sich der neue Gesundheitskiosk in Hamburg. Apotheker sind beim vom Innovationsfonds geförderten Modellprojekt offiziell nicht an Bord. Allerdings: Apotheker Dr. Jochen Walter von der benachbarten Markt-Apotheke ist Vermieter der Räume. Außerdem kann sich Walter vorstellen, das Medikationsmanagement in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitskiosk zu übernehmen.
„Leider sind wir Apotheker beim Projekt Gesundheitskiosk nicht von Beginn an involviert“, kritisiert Walter. Getragen wird das Projekt stattdessen vom Ärztenetz Billstedt-Horn, der Stadtteilklinik Mümmelmannsberg, der Firma OptiMedis, dem NAV-Virchow-Bund und der AOK Rheinland/Hamburg. Die Ärzte in den Problemvierteln Hamburgs sollen damit entlastet und die ambulante wohnortnahe Versorgung gestärkt werden.
Weiterhelfen, wenn Ärzte keine Zeit haben – das ist das Ziel des neuen Beratungsangebots. Vor allem in Gegenden mit wenigen Ärzten helfe der Kiosk den Anwohnern, sagen die Initiatoren bei der Eröffnung des Projekts. Ins Gespräch gekommen ist man trotzdem, nicht nur wegen der Vermietung der Räume. Alexander Fischer, Leiter von Gesundheit für Billstedt/Horn und des neuen Gesundheitskiosk, hatte bei der Apothekerkammer nachgefragt. Die wandte sich an Walter. Gesucht wurde ein Apotheker, der das Personal für einen Medikationscheck im Gesundheitskiosk in Eigenregie ausbilden könne.
Das lehnte Walter ab: „In meiner Apotheke bieten wir selbst auf Anfrage ein umfassendes Medikationsmanagment an. Dies würde ich auch Patienten des Gesundheitskiosks anbieten.“ Das Personal ausbilden, damit dieses die Arbeit für die dem Gesundheitskiosk angeschlossenen Ärzte erledigen könnten, das wollte Walter nicht – auch aus pharmazeutischen Gründen: „Nach und auch während der Dokumentation der vom Patienten eingenommen Arzneimittel gibt es doch viele Fragen zu besprechen und gegebenenfalls Fehler zu entdecken, die nur mit ausgeprägtem pharmazeutischem Knowhow ersichtlich sind. Dies ist durch eine kurze Ausbildung von nicht pharmazeutisch ausgebildeten Mitarbeitern nicht zu leisten und ist deshalb der falsche Ansatz für eine Kooperation“, findet Walter.
Grundsätzlich findet Walter das Projekt Gesundheitskiosk „sinnvoll und gut“. „Wir bleiben im Gespräch“, so der Apotheker. Aber auf dieser Basis sei keine Einigung möglich. „Es gibt hier genug Arbeit“, sieht Walter keine Konkurrenz für seine Apotheke, die nur 80 Meter neben dem Gesundheitskiosk liegt.
Projektleiter Fischer hingegen hält die Forderung des Apothekers für überzogen: Walter verlange 80 Euro pro Medikationscheck. „Das steht in keinen Verhältnis zur Leistung.“ Die Ärzte erhielten für den Medikationsplan nur weniger als zehn Euro. Wie es im Streit um das Medikationsthema im Gesundheitskiosk weitergeht, bleibt vorerst abzuwarten.
Finanziert wird der Kiosk mit seinen vier Vollzeitstellen in den ersten drei Jahren aus dem Topf des Projekts „Gesundheitsfördernde Stadtteilentwicklung in Billstedt und Horn“, dafür stehen 6,3 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds bereit. Davon erhält der Gesundsheitskiosk circa 25 Prozent. „Während im Hamburger Durchschnitt 2,59 niedergelassene Ärzte 1000 Einwohner versorgen, sind es in Billstedt und Horn gerade einmal 1,25 Ärzte – also weniger als die Hälfte“, erklärte Matthias Mohrmann von der AOK bei der Eröffnung.
Der Großteil der Besucher komme nach einer ärztlichen Empfehlung, erklärten die Initiatoren. Prinzipiell könne sich aber jeder in dem Kiosk etwa zu Themen wie Ernährung, Sport oder Rauchentwöhnung beraten lassen. Unter den Mitarbeitern befänden sich Hebammen, Pfleger oder Wissenschaftler. Besonders sei, dass in dem Kiosk acht verschiedene Sprachen gesprochen würden, darunter Türkisch, Russisch oder Polnisch – Sprachen, die im Stadtteil besonders häufig vorkämen.
„Menschen, die in einer sozial schlechteren Situation sind, sind häufiger krank und länger krank“, sagte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Für Geschäftsführer Helmut Hildebrandt zeigt sich das auch in Billstedt sowie im benachbarten Stadtteil Horn. Die Arbeitslosenquote bei den 15- bis 65-Jährigen ist dort deutlich höher als im Rest der Stadt, gleichzeitig leiden nach Angaben von „Gesundheit für Billstedt/Horn“ mehr Menschen zwischen 65 und 79 an Diabetes oder Depressionen als im Hamburger Durchschnitt.
Zuvor war der Kiosk in einer Pilotphase getestet worden. Dabei hätten sich die Mitarbeiter beispielsweise um übergewichtige Menschen mit Rückenschmerzen gekümmert. Diese seien zuvor beim Arzt gewesen, der sie an den Gesundheitskiosk weitervermittelt habe, sagte der Vorsitzende des Ärztenetzes Billstedt-Horn, Dr. Gerd Fass. Dort seien die Betroffenen dann beraten worden, wie sie Übergewicht und Rückenschmerzen langfristig loswerden könnten.