Die Apotheker können sich auf die Hinterbeine stellen: Bis zum Ende der Exklusivverträge können die Kassen retaxieren. Das Sozialgericht Altenburg (SG) verweigerte der Saale-Apotheke in Jena den geforderten einstweiligen Rechtsschutz. Selbst das Machtwort aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) wollten die Richter nicht gelten lassen. Bis Ende August bleiben die Verträge scharf geschaltet.
Der Streit um die Gültigkeit der exklusiven Zytoverträge verunsichert die Apotheker: Wie sollen sie mit der unklaren Rechtslage umgehen? Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) ist die freie Apothekenwahl ab sofort wieder hergestellt. Barmer, TK und KKH halten dagegen an ihren Exklusivverträgen fest und drohen mit Retaxationen. Die Ausschreibungen der Arge Parezu waren erst im Mai in Kraft getreten – die Kassen hatten noch schnell ihre Ausschreibung unter Dach und Fach gebracht, als sich das Verbot längst abzeichnete.
Dr. Christian Wegner, Inhaber der Saale-Apotheke in Jena, hat die Barmer verklagt. Er will feststellen lassen, dass mit Inkfrafttreten des Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes (AMVSG) die Exklusivität der Verträge verloren geht und die freie Apothekenwahl wiederhergestellt wird. Das Verfahren läuft noch, seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wies das SG jetzt aber ab.
Wegner hatte im Eilverfahren auf die beiden Schreiben aus dem BMG verwiesen und argumentiert, dass er ein Weiterführen der Verträge massive Folgen für ihn hätte: Retaxationen könnten alleine seine Apotheke 356.000 Euro netto beziehungsweise 424.000 Euro brutto kosten. Sollte die Barmer retaxieren, würde dies unweigerlich zu seinem wirtschaftlichen Ruin führen.
Doch auch als Vertragspartner müsse er monatliche Umsatzeinbußen von 9300 Euro verkraften. Wegner hatte sich für sieben Lose beworben und für eine Region auch einen Zuschlag erhalten – laut Barmer hatte er sich damit zur Belieferung in seinem Los und zur Nichtbelieferung in allen anderen Losen verpflichtet.
Die Kasse argumentierte, dass aus dem Gesetzestext in Verbindung mit seiner Genese kein Wegfall der bisherigen Regeln abzuleiten sei. Würden Retaxationen im Eilverfahren untersagt, würde dies zu einer Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache durch faktisches Aussetzen der Exklusivität führen. Mutmaßliches Ziel des Apothekers sei es, mittels entsprechender gerichtlicher Anordnung die Ärzte zur Bestellung bei seiner Apotheke zu bewegen.
Dem folgte das Gericht. „Hätte der Gesetzgeber für diese kurze Übergangszeit bereits die Exklusivität der abgeschlossenen Verträge beseitigen wollen, so hätte es einer zusätzlichen gesetzlichen Regelung bedurft.“ Auf die Schreiben aus dem BMG könne Wegner sich nicht berufen, da dieses nicht mit dem Gesetzgeber gleichzusetzen sei. Die Exklusivität gehöre zu den „Essentalia“ der Verträge, bei denen Einsparungen gewünscht gewesen seien. Preisabschläge könnten aber nur durch Zusage eines bestimmten Lieferumfangs erreicht werden.
Die eidesstattliche Versicherung des Apothekers bezüglich seiner Umsatzeinbußen genüge nicht, um den wirtschaftlichen Ruin plausibel zu machen. Wegner habe die Verträge unterzeichnet, als er davon ausgehen musste, dass diese bis zu Ende laufen würden. „Das wirtschaftliche Risiko […] wäre also deutlich größer gewesen als jetzt angesichts der noch verbleibenden Übergangszeit von etwas mehr als zwei Monaten.“
Unstreitig sei, dass die Apotheke ab 1. September wieder liefern könne. Auf das Retaxrisiko geht das Gericht nicht weiter ein.
Wegner will nun vor dem Landessozialgericht weiterkämpfen, danach will er ins Hauptsacheverfahren. Er will zeigen, dass die Kassen der Politik „auf der Nase herumtanzen“. Die Saale-Apotheke gehört zur Medipolis-Gruppe, die Wegner gemeinsam mit seinem Bruder Ingmar betreibt. Den Schwerpunkt der Tätigkeit bildet die Spezialversorgung mit Sterilherstellung, Verblisterung und Homecare. Das klassische Versandgeschäft mit Arzneimitteln an Endkunden war von untergeordneter Bedeutung und wurde zuletzt verkauft.
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