Honorargutachten

Apothekenrettung kostet drei Milliarden Euro

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Berlin -

Die Existenzrettung aller noch bestehenden knapp 20.000 Apotheken kostet rund drei Milliarden Euro. Zu diesem Ergebnis kommt das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) beauftragte Gutachten zum Apothekenhonorar. Nach Ansicht der Gutachter sind aktuell fast die Hälfte aller Apotheken „wirtschaftlich gefährdet“. Doch nicht jeder dieser Betrieb sollte gerettet werden. Die Experten empfehlen der Politik einen Umbau des Apothekenhonorars.

Die flächendeckende Arzneimittelversorgung ist in Deutschland nach Auffassung der Gutachter aktuell „nicht gefährdet“. Es könne für die Zukunft auch nicht „das Ziel einer angemessenen Versorgung der Bevölkerung sein, vollausgestattete Apotheken mit täglicher Öffnungszeit an Orten zur Verfügung zustellen, in welchen weder Ärzte verfügbar sind noch Lebensmittel eingekauft werden können“, heißt es in der Zusammenfassung des Gutachtens von Mitte November, die APOTHEKE ADHOC vorliegt.

Ein Verbot des Versandhandels sei vor dem Hintergrund der flächendeckenden Versorgung nicht zu rechtfertigen, „da der Versandhandel Arzneimittel direkt nach Hause liefert“. Auch Botendienste der Vor-Ort-Apotheken seien „effiziente Versorgungsformen“. Die Gutachter empfehlen der Politik eine weitere Studie zur aktuellen Versorgungsdichte der Apotheken.

Die Gutachter haben die wirtschaftliche Lage der Apotheken im Jahr 2015 genauer unter die Lupe genommen. Danach waren vor zwei Jahren 7600 Apotheken „wirtschaftlich gefährdet“, heißt es in der Zusammenfassung. Davon befänden sich 5300 Apotheken in städtischer Lage und 2300 in ländlichen Regionen: „Das sind insgesamt circa 47 Prozent aller Apotheken-Unternehmen, die in ihrem Brutto-Betriebsergebnis keinen angemessenen Unternehmerlohn im Vergleich zu einem Krankenhausapothekenleiter realisieren.“ Damit sei knapp die Hälfte der Apotheken für eine Übernahme „wirtschaftlich eingeschränkt attraktiv“.

Etwa 2600 Apotheken sei es 2015 bereits „sehr schlecht“ gegangen, schreiben die Gutachter, davon 1900 in Städten und 700 in ländlichen Kreisen. Diese realisierten „durchschnittliche Bruttobetriebsergebnisse von circa 30.000 Euro“. Das entspreche der Hälfte des Lohns eines angestellten Apothekers. Unklar seien die Gründe für die schlechte wirtschaftliche Lage dieser Apotheken.

Da fast die Hälfte der Apotheken mit wirtschaftlichen Problemen kämpfe, sei Angst vor dem Verlust der flächendeckenden Versorgung ebenso nachvollziehbar, so das Gutachten, wie die Forderung nach einer Erhöhung der Vergütung. Vor dem Hintergrund der Niederlassungsfreiheit sei jedoch eine „pauschale Finanzierung“ von notleidenden Apotheken bedenklich, die nicht für die flächendeckende Versorgung notwendig seien. „Das gilt insbesondere für den hohen Anteil gefährdeter Apotheken in den Städten, die sich gegebenenfalls einen ruinösen Wettbewerb liefern.“

Die Analyse habe ergeben, dass Landapotheken grundsätzlich wirtschaftlich nicht schlechter dastünden als Stadt-Apotheken. Die Betriebsergebnisse der Landapotheken lägen sogar circa 20.000 Euro über denen der Großstadt-Apotheken sowie 40.000 Euro über den der Apotheken in Kreisstädten. Die aktuelle Apothekenvergütung benachteilige die Landapotheken keineswegs. Sie seien daher nicht stärker von Schließung bedroht. Im Vergleich zu 2007 existierten 2015 noch 92 Prozent aller Landapotheken – hingegen nur 85 Prozent der Apotheken in städtischen Kreisen.

„Wollte man trotz Niederlassungsfreiheit alle bestehenden Apotheken erhalten, würde das über die Vergütung aller Apotheken zusätzliche jährliche Kosten von circa drei Milliarden Euro für die Kostenträger und damit für die Allgemeinheit bedeuten“, schreiben die Gutachter. Würde man „gezielt“ dagegen die 2300 „mittelfristig gefährdeten Apotheken“ in ländlichen Regionen unterstützen, wären damit nur Kosten von circa 100 Millionen Euro jährlich verbunden, heißt es in der Zusammenfassung.

Ohne Vergütungsänderung sehen die Gutachter 7600 Apotheken in den nächsten Jahren in Gefahr. Rechnerisch verbesserte sich durch deren Schließung die Lage der verbleibenden Apotheken. „Die Apothekendichte wäre dann auf dem Niveau der Niederlande oder Österreich.“

Das Fazit der Gutachter lautet wie folgt: Knapp die Hälfte der Apotheken kämpft ums Überleben. Dafür kann der Versandhandel schon „rein zeitlich“ aber nicht verantwortlich gemacht werden. Die Gutachter empfehlen, die für eine flächendeckende Versorgung erforderlichen Apotheken „zu identifizieren und diese gezielt zu unterstützen“. In ländlichen Kreise gebe es dazu 700 „stark gefährdete und weitere 1600 gefährdete Apotheken“.

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