Mit seinen Eckpunkten für eine Apothekenreform hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im September für Aufsehen gesorgt: Vollkommen unangekündigt lancierte er einen Tag vor dem Deutschen Apothekertag (DAT) seine Pläne, die zum Teil auch eine Liberalisierung vorsahen. Von den schärfsten Punkten könnte am Ende nicht mehr viel übrig bleiben – was die Frage aufwirft, wie die Apothekerschaft mit dem Vorhaben umgehen soll.
Noch immer liegt kein Referentenentwurf vor, doch die Apothekerinnen und Apotheker und ihre Teams rechnen mit drastischen Einschnitten. Immerhin hat Lauterbach keinen Zweifel daran gelassen, dass er neben dem Honorarumbau weitreichende Strukturreformen plant.
So hieß es im ersten Eckpunktepapier:
Bei seiner Rede zum DAT, dem er per Video zugeschaltet war, bestätigte Lauterbach noch einmal, dass man darüber nachdenke, ein bis zwei Filialen mehr zu erlauben. Das habe man auch mit vielen Apothekern gesprochen. „Aber erneut in Apothekerbesitz, kein Fremdbesitz, keine Investoren.“ Die Struktur der Apotheken solle dadurch nicht beschädigt werden.
Und was die Light-Filialen ohne anwesende Approbierte angeht, sagte er: Lieber sei ihm eine Filialapotheke, die von einer erfahrenen PTA geführt und von einer hochqualifizierten Apothekerin betreut werde, als eine Ausweitung des Versandhandels. Die Filialen sollten sich rechnen, „da macht es schlicht keinen Sinn, die komplette Ausstattung überall vorzuhalten“. Hauptapotheken könnten das übernehmen, alles andere verursache nur Kosten.
Doch in den zweiten Eckpunkten, die kurz vor Weihnachten veröffentlicht wurden, las sich die Sache etwas anders. Von einer Ausweitung des Mehrbesitzes war gar keine Rede mehr, und auch die Streichung der Anwesenheitspflicht von Approbierten war nun nicht mehr als abgespeckte Betriebsform für Filialen deklariert, sondern als vorübergehende Vertretungsregelung – explizit auch für die Hauptapotheke:
Ist das BMG längst von seinen drastischen Plänen abgerückt? Zumindest eine Erhöhung der Anzahl von Filialen scheint tatsächlich vom Tisch: „Wir wollen weder Änderungen der Eigentümerstruktur, noch größere Ketten ermöglichen“, versicherte BMG-Abteilungsleiter Thomas Müller in dieser Woche bei einer Veranstaltung im hessischen Gudensberg. Heute gebe es die Möglichkeit, mit einer Hauptapotheke bis zu drei Filialen zu betreiben, „in dieser Größenordnung soll es auch bleiben“.
Was die Abwesenheit von Approbierten angeht, ließe sich eine vorübergehende Vertretung etwa in der Mittagspause sicherlich ganz anderes bewerten als die permanente Führung durch eine PTA. Allerdings könnte die Formulierung in den zweiten Eckpunkten auch bewusst entschärft worden sein, ohne dass sich an den Plänen etwas geändert hat. Ohnehin versucht Lauterbach ja, seine Pläne als Erleichterungen für die Branche zu verkaufen.
Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass das BMG sich beim ersten Aufschlag nur missverständlich geäußert hat oder von diesen Plänen abgerückt wäre. Anderenfalls hätte man nämlich das gestörte Verhältnis zu den Apothekerinnen und Apothekern schon vor Monaten befrieden können. Auch Müller hat schon zu Protokoll gegeben, dass der Entwurf – vorbehaltlich möglicher Änderungen durch die Hausleitung – die Eckpunkte abbilde. Sonst hätte man diese sich ja gleich sparen können.
Klarheit wird also erst die konkrete Formulierung im Entwurf bringen. Womöglich denkt man im BMG auch schon weiter: Als eine weitere aktuelle Baustelle brachte Müller in Gudensberg vollkommen überraschend den Kapitalbedarf bei Gründung einer Apotheke oder der Übernahme insbesondere von Filialverbünden ins Spiel, genauso wie einen Ausbau der Spezialisierung.
Was er damit meinte, führte er nicht weiter aus. Förderprogramme gibt es bereits, gezielte Ansiedlungsmaßnahmen wären Sache der Länder. Und die vom Bundesverband der Versorgungsapotheker (BVVA) vor einem Jahr ins Spiel gebrachte Apotheken-GmbH zur Beschränkung des unternehmerischen Risikos insbesondere bei spezialisierten Apotheken ist nach massiver Kritik seitens der Abda auch prompt in der Versenkung verschwunden.
Grund zur Entwarnung gibt es also nicht, zumal der Entwurf ja auch noch empfindliche Eingriffe ins Honorar vorsieht. War die Kürzung der Marge von 3 auf 2 Prozent zunächst noch mit einer analogen Anhebung des Fixums verknüpft worden, haben die Kassen schon Begehrlichkeiten angemeldet. Je später der Entwurf kommt, desto hitziger könnte das Hauen und Stechen werden.
„Lieber kein Gesetz als ein schlechtes Gesetz“, resümierte Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes (HAV), nach dem Treffen in Gudensberg. Er sieht auch keinen Grund mehr, auf den Referentenentwurf zu warten, bevor man über weitere Maßnahmen entscheidet. Trotz der anhaltenden Schließungswelle steuere Lauterbach nicht gegen, sondern verschließe sich allen Vorschlägen zur Sicherstellung der wohnortnahen Arzneimittelversorgung. Wer Reformen auf inakzeptablen, nebulösen Wegen durchzusetzen versuche, verstehe nur die Sprache des Protests.
Auch andere Verbändevertreter finden, dass es leichter sein könnte, das Gesetz zu verhindern als es zu verbessern. Zwar müsse man dann mit der dringend erforderlichen Honoraranpassung womöglich auf die nächste Regierung warten. Anderenfalls bestehe aber das Risiko, dass die nächste Koalition das Thema mit Verweis auf Lauterbachs halbgares Gesetz wieder auf die lange Bank schieben könnte.
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