Mit seinen Plänen, den Apothekenmarkt zu liberalisieren und „Light-Filialen“ in strukturschwachen Regionen zu erlauben, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für Entsetzen gesorgt. Die Apothekenteams haben die Pläne durchschaut – und warnen vor den Folgen: Statt das Apothekensterben aufzuhalten, gefährde das Vorhaben die Versorgung der Bevölkerung, so die Ergebnisse einer aktuellen aposcope-Befragung.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) plant verschiedene Maßnahmen mit dem angeblichen Ziel, den Apotheken mehr Flexibilität zu geben und die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Das Eckpunktepapier „Versorgungssicherstellung und Fachkräftesicherung in Apotheken“ sieht unter anderem die Förderung von Filial- und Zweigapotheken vor, bei denen auf Rezeptur, Labor, Notdienst und Approbierte verzichtet werden kann.
Doch trotz des beschönigenden Titels stoßen die Pläne bei den Apothekenteams auf breite Ablehnung: Insgesamt erhält Lauterbach für das Eckpunktepapier ein „ungenügend“, wobei die Inhaberinnen und Inhaber unter den befragten Berufsgruppen mit 5,3 die schlechteste Durchschnittsnote vergeben.
Dass mit Light-Filialen die flächendeckende Versorgung gesichert werden kann, glauben 79 Prozent der Inhaberinnen und Inhaber nicht. Jeweils 80 Prozent gehen vielmehr davon aus, dass es zu einer Verdrängung von vollversorgenden Apotheken kommen und dadurch die Qualität der Versorgung verschlechtert würde. Und 59 Prozent fürchten auch, dass die Hauptapotheken überlastet würden, wenn sie bestimmte Aufgaben für ihre Light-Filialen mit übernehmen müssten.
Bei PTA und PKA liegen die Werte jeweils niedriger; hier sieht zwar knapp die Hälfte einen möglichen positiven Effekt für die Flächendeckung, allerdings ebenfalls zu Lasten der Qualität.
Hinzukommt, dass die Inhaber:innen gar nicht bereit sind, die neuen Möglichkeiten zu nutzen: 90 Prozent würden keine Filiale mehr eröffnen und 84 Prozent auch keine Light-Filiale. Die Neuregelung könnte stattdessen sogar eine negative Eigendynamik entwickeln: Denn Inhaber:innen, die bereits Filialen haben, würden diese durch die abgespeckte Variante ersetzen.
Dass der Fachkräftemangel längst in den Apotheken angekommen ist, hat auch das BMG erkannt und will gegensteuern. Die geplanten Maßnahmen sind laut 74 Prozent der Befragten nicht geeignet, um die Personalprobleme zu entschärfen. Und die Mehrheit sieht auch keine Verbesserung der Flächendeckung.
Weil der Nachwuchs auch bei den Apotheker:innen fehlt und PTA sich seit langem mehr Kompetenzen wünschen, sollen laut den BMG-Plänen Vertretungsmöglichkeiten für erfahrene PTA in den Light-Apotheken geschaffen werden, wobei jederzeit ein Apotheker per Video zugeschaltet werden soll.
Hier gehen die Meinungen auseinander: Sechs von zehn PTA bereit wären, die Vertretung von Apotheker:innen zu übernehmen. Doch die Approbierten erteilen dem Plan eine Absage – 61 Prozent unterstützen die Maßnahme nicht. Nur jede:r Fünfte wäre dafür offen, zumindest wenn die PTA zusätzliche Voraussetzungen erfüllt.
80 Prozent der Inhaberinnen und Inhaber fürchten, dass die Beratung in Light-Filialen ohne persönlich anwesende Approbierte schlechter wäre; bei den PTA sind es nur 26 Prozent. Hinzu kommt bei der Hälfte der Befragten die Sorge, dass die Personalkosten in den Light-Filialen sogar steigen könnten, wenn mehr Verantwortung übernommen wird.
Und auch die flexibleren Öffnungszeiten, die in einigen Kammerbezirken bereits ermöglicht wurden, werden skeptisch gesehen: „Die 24/7-Versorgung kann aufgrund flexibler Öffnungszeiten nicht mehr gesichert werden“, sagt knapp die Hälfte der Befragten.
Und so fallen die geplanten Maßnahmen bei den Apothekenteams durch. Müsste eine Schulnote vergeben werden, erhalten die Vorschläge eine 5. Ohnehin glauben 80 Prozent der Befragten nicht daran, dass die Pläne bis zum dritten Quartal 2024 umgesetzt werden.
Hinweis zur Methodik: aposcope hat vom 19. bis 21. Oktober 2023 insgesamt 339 verifizierte Apotheker:innen, PKA und PTA zu den Plänen des Bundesgesundheitsministers befragt.
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