Apothekenreform: Expressabrechnung für Hochpreiser? Patrick Hollstein, 05.08.2024 10:12 Uhr
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) will mit der Apothekenreform die prozentuale Spanne der Apotheken von 3 auf 2 Prozent kürzen, um so vor allem bei Hochpreisern zu sparen. Weil dadurch aber die Vorfinanzierung zum Problem wird, prüft man eine Verkürzung der Abrechnungsfristen. Aus der Branche kommt Zustimmung.
Der Anteil der Hochpreiser wächst seit Jahren; auf Medikamente mit einem Preis von mehr als 1500 Euro entfielen laut Abda-Zahlen zuletzt zwar weniger als 1 Prozent der Packungen; ihr Anteil am Gesamtumsatz machte aber 39 Prozent aus. Zwar wurde Verzerrungen in diesem Bereich schon vor 20 Jahren mit der Einführung des Fixzuschlags angegangen. Doch den Kassen ist der prozentuale Zuschlag nach wie vor ein Dorn im Auge, da er – anders als beim Großhandel – nicht gedeckelt ist. Zuletzt hatte vor zwei Jahren der BKK-Dachverband eine Kappung bei 45 Euro gefordert; ausgerechnet die FDP hatte sich diesen Vorschlag damals zu eigen gemacht und das BMG um eine Prüfung gebeten.
Mit der Apothekenreform soll die Spanne jetzt in zwei Stufen gekürzt werden, ab April 2025 erst auf 2,5 Prozent und im Jahr darauf auf 2 Prozent. Die frei werdenden Mittel sollen auf das Fixum aufgeschlagen werden. Zumindest zukünftig wären die Apotheken damit von der Preisentwicklung abgekoppelt.
„Wir sehen einen starken Anstieg der Preise, beispielsweise durch die Hämophiliepräparate“, sagte BMG-Abteilungsleiter Thomas Müller Ende Juni beim APOTHEKE LIVE. „Daher halten wir eine Absenkung für gerechtfertigt.“ Man sei „moderat“ an die Sache herangegangen – und habe sich bewusst gegen eine Deckelung entschieden. „Der Minister hat sich das angeschaut, 2 Prozent sind aus unserer Sicht ein auskömmliches Vergütungsniveau. Die Finanzierung der Hochpreiser ist sichergestellt durch die 2 Prozent.“
Doch auch wenn eine Vergütung von 100 Euro oder mehr für eine einzelne Packung womöglich für Schlagzeilen taugt, machen viele Apotheken einen großen Bogen um Hochpreiser. Er habe jede Woche Patientinnen und Patienten in seiner Apotheke, die eine regelrechte Odyssee hinter sich hätten, weil sie in anderen Apotheken abgewiesen wurden, schilderte Hessens Verbandschef Holger Seyfarth seine Erfahrungen. Immer weniger Apotheken seien bereits, das Risiko auf sich zu nehmen. Die geplante Honorarabsenkung werde dies noch verschärfen. „Ich garantiere und prophezeie: Wenn wir uns in einem Jahr hier treffen, haben wir weniger Apotheken mit weniger Leistungen.“
Neben dem exorbitanten Retaxrisiko sind es vor allem die hohen Finanzierungskosten, die diesen Bereich zunehmend unattraktiv machen. Auch der Großhandel klagte zuletzt darüber, dass das Ende der Niedrigzinsphase von der Politik nicht anerkannt und die Belastungen bei der Finanzierung nicht gesehen würden.
Bei der Verbändeanhörung im BMG wurde dann ein anderer Vorschlag ins Spiel gebracht, unter anderem von der früheren Präsidentin der Bundesapothekerkammer (BAK), Magdalene Linz. „Wir haben intensiv diskutiert, ob man mit dem E-Rezept die Zahlungsziele noch einmal verbessern kann“, so Müller. Man könne die Fristen für die Zahlung verkürzen oder die Kassen verpflichten, in kürzeren Abständen Abschlagszahlungen zu leisten.
Unklar ist allerdings, ob das BMG der Forderung nachkommen wird, hier noch mit dem Gesetz eine Neuregelung zu verabschieden. „Das sind ja vor allem technische Fragen; da ist die Selbstverwaltung näher dran“, so Müller mit Blick auf die ab 2027 geplante Verhandlungslösung.
Die Rechenzentren wären bereit, diesen Weg zu gehen. „Aus unserer Sicht wäre es überhaupt kein Problem, beispielsweise einmal pro Woche eine Sammelabrechnung anzustoßen“, sagt der Verteter eines Anbieters, der allerdings wegen der politischen Gemengelage nicht namentlich genannt werden will. Statt einer gebe es dann drei oder vier Abrechnungszyklen im Monat, mit Zahlungseingang jeweils nach zehn Tagen. Er habe auch bereits mit großen Kassen darüber gesprochen, die das Ganze ebenfalls für technisch machbar hielten.
Er ist allerdings aus Verfahrensgründen gegen eine Trennung nach Niedrig- und Hochpreisern: „Man sollte konsequent sein und alle aufgelaufenen Rezepte abrechnen.“ Anderenfalls werde der Aufwand zu groß.
Auch wenn eine solche Umstellung seine Branche vor Herausforderungen stellen würde, gebe es auch Vorteile. So könnten die Rechenzentren ihre Kreditlinien reduzieren, was sich günstig auf die Bonität auswirke. Vor allem aber sei Vorschlag im Sinne der Apotheken: „Wir haben ein Interesse am Überleben der Apotheken. Hier stehen Kosten von hunderten Millionen Euro im Raum, die bislang immer zu Lasten der Apotheken gingen.“
Verlierer wären aus seiner Sicht die Banken – und wohl auch die Kassen, die bislang von den extrem späten Zahlungen profitierten. „Das Ganze wird nur funktionieren, wenn der Bund die Liquidität garantiert. Echte Mehrkosten würden aber nicht entstehen.“