Apothekenreform doch zustimmungspflichtig? Patrick Hollstein, 25.07.2024 11:51 Uhr
Wie andere Gesetzesvorhaben will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auch die Apothekenreform ohne die Länder durchziehen. Doch es gibt Stimmen, die den Entwurf doch für zustimmungspflichtig halten. Was ist dran?
Kritik zu Lauterbachs Gesundheitsreformen kommt regelmäßig aus den Ländern, doch bislang konnte kein Vorhaben effektiv gestoppt werden. Im Herbst ließen die Länder ihn zwar bei der Klinikreform auflaufen, doch gestoppt werden konnte das Vorhaben bisher nicht. Und die Gesundheitskioske erlebten, nachdem sie aus dem Entwurf zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) gestrichen wurden, ausgerechnet im Bundesrat ein plötzliches Comeback.
Kritik aus vielen Ländern
Auch mit der Apothekenreform ist man in vielen Ländern alles andere als einverstanden. Nicht nur die Gesundheitsministerinnen aus Bayern und Hessen, Judith Gerlach (CSU) und Diana Stolz (CDU) sowie ihr NRW-Amtskollege Karl-Josef Laumann (CDU) stehen fest an der Seite der Apotheken, sondern auch Manne Lucha (Grüne) aus Baden-Württemberg und Dr. Andreas Philippi aus Niedersachsen, der wie Lauterbach sogar ein SPD-Parteibuch trägt.
Aber wie viel sind die mittlerweile zahlreichen und aus ganz unterschiedlichen politischen Lagern kommenden Sympathiebekundungen und Protestnoten aus den Ländern wert, wenn Lauterbach sein Vorhaben ohne sie durchziehen kann? Zwar kann der Bundesrat bei sogenannten Einspruchsgesetzen den Vermittlungsausschuss anrufen, aber dass das bei der Apothekenreform geschieht, glaubt derzeit eigentlich niemand.
Rückhalt alleine reicht nicht
Abda-Chefjurist Lutz Tisch hatte schon vor einem Jahr beim Deutschen Apothekertag (DAT) in Düsseldorf darauf hingewiesen, dass das Vorhaben Lauterbachs voraussichtlich nicht zustimmungspflichtig sei. Der erfreuliche Rückhalt aus den Ländern alleine genüge nicht, um das Vorhaben zu stoppen, so die Einschätzung nach Bekanntwerden der ersten Eckpunkte.
Hintergrund ist, dass im Allgemeinen nur wenige Gesetze überhaupt zustimmungspflichtig sind. Das gilt für Vorhaben, die in die Organisations- und Verwaltungshoheit der Länder eingreifen oder deren Finanzen betreffen, sowie für Gesetze, die explizit im Grundgesetz (GG) genannt werden.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat in seinem Entwurf zum Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) klargestellt, dass aus seiner Sicht keine Zustimmung der Länder notwendig ist. „Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen“, heißt es in der Eingangsformel – und eben nicht: „Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen“.
Spannen sind zustimmungspflichtig
Doch es gibt Verbändevertreter, die die Sache nicht so eindeutig sehen. Denn beim Apothekenhonorar ist eigentlich eine Beteiligung der Länder vorgesehen. So wird mit § 78 Arzneimittelgesetz (AMG) das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) ermächtigt, im Einvernehmen mit dem BMG „durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates“ folgende Vergütungen festzulegen:
- Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel oder in Apotheken im Wiederverkauf abgegeben werden,
- Preise für Arzneimittel, die in Apotheken hergestellt und abgegeben werden, sowie für Abgabegefäße,
- Preise für besondere Leistungen der Apotheken bei der Abgabe von Arzneimitteln
Allerdings wird im nächsten Satz direkt die Ausnahme eingeführt, dass auf demselben Weg per „Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates“ bedarf, der „Anteil des Festzuschlags, der nicht der Förderung der Sicherstellung des Notdienstes dient, entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung anzupassen“ ist.
Keine Ausnahme für Neuregelung?
Einerseits könnte man den Wortlaut so auslegen, dass mit „Festzuschlag“ lediglich das Fixum von derzeit 8,35 Euro gemeint ist, sodass die geplante Absenkung der prozentualen Spanne von 3 auf 2 Prozent nicht unter die Ausnahmeregelung falle und damit zustimmungspflichtig sei. Andererseits wird die Auffassung vertreten, dass der geplante Komplettumbau beim Apothekenhonorar bis hin zur Verhandlungslösung schon deshalb zustimmungspflichtig sein müsste, weil schon die Anpassung der Spannen es sei.
Andere Experten halten solche Überlegungen für reines Wunschdenken: Mit dem Festzuschlag sei wohl das Honorar gemeint, so dass es nicht abwegig sei, eine Verhandlungslösung ebenfalls unter die Ausnahmeregelung fallen zu lassen. Um die Sache eindeutig zu klären, wäre eine vertiefte verfassungsrechtliche Prüfung erforderlich, bei der insbesondere die grundgesetzliche Grundlage für das Zustimmungserfordernis und die damit verbundene Ausnahmeregelung geklärt werden müsste.
BMG hat keine Zweifel
Das BMG geht auf diese Überlegungen nicht ein, sondern antwortet auf Nachfrage formaljuristisch: „Maßstab für die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit von förmlichen Gesetzen ist Art. 84 Absatz 1 GG. Dies gilt auch, wenn mit einem förmlichen Gesetz zugleich Rechtsverordnungen geändert werden. Verfahrensbestimmungen lösen die Zustimmungsbedürftigkeit nicht aus, wenn sie keinen neuen Einbruch in die Verwaltungszuständigkeit der Länder darstellen.“
Auf den konkreten Fall bezogen: „Im Rahmen der Komplexität des Regelungsgefüges im Apothekenbereich sind die Änderungen des förmlichen Gesetzesrechts und die Änderungen des auf ihm beruhenden Verordnungsrechts ineinander verschränkt. Die vorliegende grundlegende Reform im Apothekenbereich kann in den vielen detailliert normierten Bereichen sinnvoll nur bewerkstelligt werden, wenn sowohl förmliches Gesetz als auch auf ihm beruhende Verordnungen in einem einheitlichen Vorgang geändert und aufeinander abgestimmt werden.“
Und weiter: „Die vorgesehenen Änderungen der Arzneimittelpreisverordnung stehen in unmittelbarem Sachzusammenhang zu der klarstellenden Ergänzung der Ermächtigungsgrundlage in § 78 Absatz 1 Satz 1 AMG sowie der Ermächtigungsgrundlage nach § 78 Absatz 1 Satz 2 AMG. Die Änderungen sind dabei Ausprägung des Bedürfnisses des parlamentarischen Gesetzgebers, bei einem komplexen Regelungsgefüge – wie der hier vorgesehenen grundsätzlichen Reform des Apothekenwesens und der Apothekenhonorarregelungen – , bei dem Änderungen des förmlichen Gesetzesrechts und auf ihm beruhendes Verordnungsrecht ineinander verschränkt sind, diese Änderungen in einem einheitlichen Verfahren anzupassen.“