Kommentar

Apothekenreform: BMG-Spitze schlingert

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Berlin -

In der tiefsten hessischen Provinz wurden erste Details zur geplanten Apothekenreform bekannt gemacht. Dass es zu dem kuriosen Termin im Wahlkreis Schwalm-Eder des parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Edgar Franke kam, ist dem Engagement der Apothekerinnen und Apotheker vor Ort zu verdanken. Ihre 10.000 gesammelten Unterschriften zeigen: Der Protest wirkt. Und ganz nebenbei wirft der Abend im Bürgerhaus Gudensberg ein Licht darauf, wie es um die Stimmung im Bundesgesundheitsministerium (BMG) bestellt ist.

Eigentlich hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Apothekenreform schon Ende April durch das Kabinett bringen wollen, doch seitdem ist das Projekt wieder auf der Vorhabenliste verschwunden. Und während er seine Eckpunkte ganz gezielt vor dem Deutschen Apothekertag (DAT) und dann noch einmal zwei Tage vor Weihnachten platzierte, lässt Lauterbach die 160.000 Menschen, die als hochqualifizierte Fachkräfte in den Apotheken arbeiten, seit Monaten im Unklaren darüber, wie es mit ihrer Branche und womöglich auch mit ihrer ganz persönlichen Existenz weitergehen soll.

Umso bemerkenswerter war der gestrige Abend, zu dem das Evangelische Forum Schwalm-Eder ins Bürgerhaus Gudensberg eingeladen hatte. Unter dem Motto „Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum – Herausforderungen und Lösungen zur Versorgung mit Landarztpraxen, Apotheken, Krankenhäusern“ sollte über die Herausforderungen in der Gesundheitspolitik gesprochen werden. Dass Franke seinen für Arzneimittel und Apotheken zuständigen Abteilungsleitungsleiter Thomas Müller mitbrachte, ließ nur eine Lesart zu: Der SPD-Politiker wollte in seinem Sprengel der Kritik an der Apothekenreform den Wind aus den Segeln nehmen.

Sneak Preview im Wahlkreis

Und so gab es in der hessischen Provinz einen exklusiven Sneak Preview zu den geplanten Maßnahmen, was Müller mit der Bemerkung zu relativieren versuchte, dass der in den kommenden zwei Wochen erwartete Entwurf ja doch noch ganz anders aussehen könnte. Dann stellte er ausführlich nicht nur die umstrittenen Ideen aus den Eckpunkten vor, sondern auch die Argumentation dahinter.

Die PTA-Ausbildung lasse sich schneller skalieren als das Pharmaziestudium, so etwa seine Erklärung für die geplanten Light-Filialen. Dass zumindest laut den Eckpunkten nicht einmal der Versuch unternommen wird, schneller mehr Approbierte zu gewinnen, sagte er nicht. Und was die Honorarreform angeht, spielte er Polit-Pingpong: Für pauschale Vergütungserhöhung gebe es aktuell keine politische Mehrheit. Normalerweise argumentieren die Abgeordneten immer genau andersherum, wobei es im konkreten Fall von der FDP ja sogar einen konkreten Vorschlag gibt.

Mehr als einmal kam Müller dabei in schwieriges Fahrwasser, etwa als er Arzneimitteln mit Schuhen verglich. Franke dagegen hielt sich im Hintergrund, eine Stunde lang sagte er überhaupt nichts, und auch danach kam er nur am Rande auf das Apothekenthema zu sprechen.

Dabei sollte der ungewöhnliche Termin doch für ihn zum ganz persönlichen Befreiungsschlag werden. Denn die Apotheken vor Ort hatten ihn für die geplante Reform ganz persönlich in die Verantwortung genommen und alleine im Herbst 10.000 Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt. Und wer Franke kennt, der weiß, dass ihm sein Wahlkreis wichtiger ist als jedes andere politische Terrain.

Kein Stream, kein Statement

Wie nervös die beiden Teilnehmer aus dem BMG waren, zeigt sich auch an der Tatsache, dass sie weder einen Livestream von der Veranstaltung zulassen wollten noch für Interviews zur Verfügung standen. Hatte man wirklich gehofft, dass man Frankes Wahlkreis befrieden könnte, ohne das Thema an die große Glocke zu hängen?

Aus taktischer Sicht hätte Franke die Gelegenheit sogar ergreifen müssen, sich zur Apothekenreform zu positionieren. Immerhin trägt er als parlamentarischer Staatssekretär auch die politische Verantwortung. Ein klares Bekenntnis wäre sowohl für den Fall wichtig gewesen, dass er das umstrittene Reformprojekt tatsächlich verteidigen wollte – als auch für den Fall, dass er damit nichts am Hut hat oder haben will und dass der Termin im Grunde als Absetzbewegung zu verstehen sein sollte.

So bleibt als Zwischenfazit: Die Apothekenreform ist für Lauterbach alles andere als ein Selbstläufer. Selbst im eigenen Haus weiß man längst, dass hier vermintes Gelände ist. Mutiger und engagierter Widerstand bleibt nicht unbeachtet, selbst wenn er in der Provinz stattfindet. Mit diesem guten Gefühl konnten die rund 100 Apothekerinnen und Apotheker am gestrigen Abend nach Hause fahren. Die Apothekenreform soll ohne größere Abstriche kommen, so viel ist jetzt sicher. Es wird Zeit für die angekündigte Eskalation.

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