Apothekenpflicht

„Bayer hätte kein Problem im Supermarkt“

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Berlin -

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat sich beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) erneut zur inhabergeführten Apotheke bekannt. Auch die OTC-Hersteller setzen auf Geschäfte in der Offizin. BAH-Chef Jörg Wieczorek (Hermes) kritisierte in diesem Zusammenhang Einlassungen des Gesundheitsökonomen Professor Dr. Christian Hagist, OTC-Medikamente benötigten keine Beratung. Der wiederum hinterfragt den Treueschwur der Hersteller.

Hagist hatte sich im Juli für eine Lockerung der Apothekenpflicht ausgesprochen. „Aus meiner Sicht sind das Alltagsprodukte, bei denen es keine Beratung braucht“, so der Gesundheitsökonom. Die Beratung könne über einen gut gemachten und standardisierten Beipackzettel erfolgen. Bei der Apothekenpflicht gebe auch eine gewisse Traditionsverhaftung: „Aspirin etwa kommt historisch aus der Apotheke“, so Hagist, könne aber problemlos auch im Supermarkt verkauft werden.

Das Interview schlug höhere Wellen, als Hagist erwartet hatte. Er bekam Post von Apothekern, teilweise zustimmend, überwiegend kritisch. Sogar der Hessische Apothekerverband (HAV) hatte sich beim Gesundheitsökonomen beschwert. Ihn stört das nicht weiter: „Ich wollte schließlich eine Debatte auslösen.“

Und diese Debatte hält offenbar an: „Wir brauchen Beratung in der Apotheke. Wir brauchen keine Ökonomen, die Beratung als überflüssiges Gut bezeichnen“, sagte Wieczorek bei der BAH-Veranstaltung. Die Apotheken seien eine wesentliche Säule des Gesundheitswesens, die Selbstmedikation werde weiter an Bedeutung gewinnen. Der BAH hatte in einer Studie ausrechnen lassen, wie hoch die Einsparungen für das System durch die Selbstmedikation sind. Studienautor Professor Dr. Uwe May sprach sich dafür aus, einen Teil der Einsparungen zu reinvestieren.

Hagist kritisiert das derzeitige Vertriebssystem mit der strengen Apothekenpflicht. Volkswirtschaftlich sei es egal, ob der Hersteller von höheren Gewinnen profitiere oder der Verbraucher von niedrigeren Preisen. Aber der zu vermutender Preisverfall bei OTC-Präparaten in der Drogerie oder im Supermarkt ist für den Gesundheitsökonom ein Indiz. Seine These: „Die Apotheken schöpfen aufgrund der Beschränkungen beim Verkauf von Arzneimitteln Monopolrenten ab.“ Und Monopolrenten möge der Volkswirt nicht.

Die OTC-Hersteller wollten nicht nur wegen der Preise lieber in der Apotheke bleiben: Das bestehende Fremd- und Mehrbesitzverbot sorge dafür, dass die Hersteller auf der anderen Seite meist keinen besonders starken Verhandlungspartner hätten. „Sich mit Drogerieketten wie dm anzulegen, ist auf einem anderen Niveau“, so Hagist.

Trotzdem glaubt er nicht an ein einheitliches Stimmungsbild bei den Herstellern: „Ich kann mir vorstellen, dass Bayer keine Probleme damit hätte, seine Präparate im Supermarkt zu verkaufen.“ Aspirin sei eine starke Marke und der Konzern ein großer Player. Das Interesse der Hersteller hänge immer von ihrer eigenen Situation ab, ihrer Marktmacht und den genutzten Vertriebskanälen.

Die Apotheker hätten Hagist zufolge aber ein Problem, sollten OTC-Präparate für den allgemeinen Handel freigegeben werden – sie wären in demselben Dilemma wie jeder Fachhändler, der Beratung anbiete. Die Gelegenheit zur Beratung wolle er trotzdem nicht abschaffen, gerade bei kritischeren OTC-Produkten. Das Gros der Präparate könne allerdings auch ohne Fachgespräch abgegeben werden, und aus seiner Erfahrung sei das auch schon heute der Fall.

An Apotheker als Gutmenschen, die nur die Gesundheit ihrer Kunden im Auge haben, glaubten Volkswirte nicht: Jeder habe ein Einkommensinteresse, ob er nun Brötchen verkaufe oder Arzneimittel, so der Ökonom.

Hagist ist Inhaber der Professur für Generationenübergreifende Wirtschaftspolitik an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Er studierte von 1998 bis 2003 Volkswirtschaftslehre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und an der University of Wisconsin-Madison (USA). Im Jahr 2007 wurde er mit dem Thema „Demography and Social Health Insurance“ bei Professor Dr. Bernd Raffelhüschen promoviert. Die Dissertation wurde von der Universität Freiburg mit dem Friedrich-August-von-Hayek-Preis ausgezeichnet.

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