Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat wieder zugeschlagen: In seinem Jahresgutachten 2008/2009 empfiehlt das Gremium um Professor Dr. Dr. Bert Rürup ausgerechnet unter dem Titel „Die Finanzkrise meistern - Wachstumskräfte stärken“ die Freigabe des Versorgungsmarktes für Arzneimittel an Apothekenketten.
Derzeit seien die von selbstständigen Apothekern geführten Präsenzapotheken der dominante Absatzkanal für Arzneimittel in Deutschland, heißt es. Die Wissenschaftler greifen tief in die Asservatenkammer: „Diese Vorrangstellung geht letztlich auf das 'Edikt von Salerno' aus dem Jahr 1241 zurück, in dem nicht nur eine strikte Trennung der Berufe Arzt und Apotheker vorgeschrieben wurde, sondern auch festgelegt wurde, dass Ärzte keine Apotheke, sprich keinen Handel mit Arzneimitteln, betreiben dürfen und dass Arzneimittel gesetzlich festgeschriebene Preise haben sollen.“ Welche dieser Vorschriften die Experten noch für verstaubt halten, bleibt im Gutachten offen.
Zeitgenössische Kritikpunkte: Trotz der Zulassung von Versandapotheken und der Aufhebung der Preisbindung für OTC-Medikamente fehle es diesem Segment des Gesundheitssystems an Wettbewerb. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot verhindere die Bildung von „den Wettbewerb stimulierenden Apothekenketten“.
Davon, dass die deutsche Politik das Fremd- und Mehrbesitzverbot von Apotheken aus eigenem Antrieb in Frage stellen wird, sei nach Lage der Dinge nicht auszugehen. „Daher kann man nur hoffen, dass dies alsbald über - auch für Deutschland verbindliche - Urteile des EuGH geschehen wird“, so die Ökonomen.
Weiter heißt es: „Der Sachverständigenrat würde es deshalb begrüßen, wenn über das europäische Wettbewerbsrecht die Möglichkeit eröffnet würde, dass sich der gesamtwirtschaftliche Mix der Distributionsformen für Medikamente in einem fairen Wettbewerb der Vertriebskanäle, bei dem sich natürlich auch Kettenapotheken an der Not- und Feiertagsbereitschaft zu beteiligen hätten, herausbilden kann.“
Mitglieder des Sachverständigenrates sind neben Rürup Professor Dr. Peter Bofinger (Würzburg), Professor Dr. Dr. Wolfgang Franz (Mannheim), Professor Dr. Beatrice Weder di Mauro (London) und Professor Dr. Wolfgang Wiegard (Regensburg).
Bereits in seinem Jahresgutachten 2002/03 hat der Sachverständigenrat „die derzeitige Organisationsstruktur des Arzneimittelvertriebs als überholt und wenig effizient“ bezeichnet. Rürup & Co. hatten sich bereits damals für Apothekenketten stark gemacht, mit denen die Kassen kostengünstige Leistungsverträge abschließen können.
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