Apothekenhonorar: Komfortservice kostet extra Lothar Klein, 03.07.2018 13:30 Uhr
Die Monopolkommission empfiehlt in ihrem aktuellen Gutachten der Bundesregierung eine grundlegende Reform des Apothekenmarktes. Die Experten um Professor Dr. Achim Wambach wollen Apotheken die Möglichkeit zu Rabatten einräumen; erneut sprechen sie sich gegen ein Rx-Versandverbot aus. Die heutigen Festpreise der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) sollen in einem ersten Schritt durch rabattfähige Höchstpreise abgelöst werden. Später sollen die Apotheken ihr Honorar mit den Krankenkassen aushandeln.
Die Leistungen von Großhändlern und Apothekern seien „umfassend reguliert“, heißt es im Gutachten. Zwar setze die bestehende Regulierung die Mechanismen des Marktes nicht völlig außer Kraft, doch verändere sie den Wettbewerb erheblich. Ein wichtiger Bestandteil der Regulierung sei die Festlegung der Apothekenabgabepreise für Arzneimittel, die zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgegeben würden. Die Kalkulation fester Preise habe Auswirkungen unter anderem auf die räumliche Verteilung der Apotheken.
Durch das EuGH-Urteil zum Versandhandel und das BGH-Urteil zu Skonti des Großhandels sei die Frage, ob die Beschränkung des Preiswettbewerbs in der bestehenden Form angemessen ist, in den Fokus der Diskussion gerückt. Grundsätzlich gebe es nachvollziehbare Gründe für Preisregulierungen im Arzneimittelmarkt, aber: „Die Monopolkommission kommt auf Basis der vorliegenden Untersuchung zu dem Ergebnis, dass rein pekuniäre Anpassungen der AMPreisV sowie ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel unzureichende beziehungsweise falsche Instrumente darstellen, um die Ziele in der Arzneimittelversorgung zu erreichen“, so das Gutachten.
Stattdessen solle das Vergütungssystem strukturell so verändert werden, „dass nur der Teil der Apothekenvergütung, der vor allem die isolierte Beratungsleistung betrifft, weiterhin fixiert wird“. Dieser Teil sei durch die GKV zu tragen und „gegebenenfalls auch von dieser zu verhandeln“.
Der übrige Teil der Finanzierung betreffe Serviceleistungen bei Apotheken – wie sehr kurze Distanzen aufgrund des Standorts, die Anzahl des Personals für kurze Wartezeiten, die Apothekenzeitung oder die Geschäftsausstattung. Die Höhe der Vergütung dieser Leistungen durch den Patienten sei Teil des Wettbewerbs und sollte „individuell von den Apotheken festgelegt werden“.
Zur Umgestaltung des Vergütungssystems schlägt die Monopolkommission vor, in einem ersten Schritt die Zuzahlungen gesetzlich krankenversicherter Patienten für Rx-Arzneimittel durch die Gewährung von Rabatten zu reduzieren. Aufgrund des höheren Wettbewerbsdrucks in Ballungsräumen, in denen viele Apotheken tätig seien, sei zu erwarten, dass daraufhin vor allem in diesen Regionen Rabatte eingeräumt würden. „Dadurch würde das Vergütungssystem auch zu einer regionalen Verteilung der Apotheken beitragen, bei der ländliche Regionen gegenüber Ballungszentren stärker begünstigt werden, als dies heute der Fall ist.“
Ein Rx-Versandverbot lehnt die Monopolkommission kategorisch ab: „Auf das im Koalitionsvertrag vorgesehene Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sollte indes verzichtet werden, da der Versandhandel ein wichtiger Baustein der Versorgungsstruktur ist“, so die Monopolkommission. Es sollte geprüft werden, ob durch den weiteren Abbau von Versorgungsbeschränkungen im Versandhandel wie das Verbot von Pick-up-Stellen und Arzneimittelautomaten dieser auch für eine nachhaltige Verbesserung der flächendeckenden Versorgung aktiviert werden könne.
Die strukturelle Schwäche der AMPreisV sei vor allem auf die Kombination einer freien Ansiedlung von Apotheken und der Regelung einheitlicher Preise nach einem Kostendeckungsansatz zurückzuführen. Dies habe starken Standortwettbewerb und eine hohe Dichte von Apotheken mit hohen Komfortstandards vorwiegend in Ballungszentren zur Folge, während der Betrieb einzelner Apotheken bei einer Vergütung auf Durchschnittskosten zugleich gefährdet sei.
Die Serviceleistungen würden, sofern sie nicht mehr Teil des Fixhonorars seien, im Wettbewerb abhängig von den Präferenzen der Kunden erbracht und nicht mehr pauschal durch die GKV oder eine fixe Zuzahlung der Kunden finanziert. Um eine Ausnutzung wirtschaftlicher Machtstellungen wie bei Nachtdiensten zu verhindern, sollte die Servicekomponente nach oben begrenzt werden.
Die Gutachter erwarten, dass dadurch die Profitabilität der Apotheken in schlecht versorgten Regionen zunimmt, da die Errichtung einer Apotheke in diesen Regionen die Wegstrecke für die dortigen Patienten erheblich verringern würde, was sich wiederum in einer erhöhten Zahlungsbereitschaft für die Servicekomponente niederschlagen würde. Eine entsprechende Honorarreform sollte in mehreren Schritten umgesetzt werden.
Die Monopolkommission empfiehlt bei der Umstellung des Apothekenhonorars ein schrittweises Vorgehen: In einem ersten Schritt sei eine Anpassung der AMPreisV und die Öffnung für mehr Wettbewerb zu realisieren. Den Apotheken sollte gestattet werden, die mögliche Zuzahlung gesetzlich versicherter Patienten bei Abgabe von Rx-Arzneimitteln durch die Gewährung von Rabatten zu reduzieren. Außerdem sollten die Vergütungssätze der AMPreisV so angepasst werden, „dass sie die Kostenstruktur in der Arzneimittelversorgung abbilden“.
Dazu könnte der Festbetrag für die Abgabe von Fertigarzneimitteln durch Apotheken um mindestens 1,09 Euro angehoben werden. Durch die gleichzeitige Einführung des Rabattsystems stellten die Zuschläge zukünftig Höchstwerte dar, die durch die Gewährung eines Rabattes auf die Zuzahlung der Versicherten faktisch apothekenindividuell reduziert werden könnten. „Es ist zu erwarten, dass insbesondere in Regionen, in denen einzelne Apotheken heute die Versorgung sichern, aufgrund des geringen Wettbewerbs allenfalls geringe Rabatte angeboten werden. Dadurch kann das bestehende Vergütungsniveau in diesen Regionen aufrechterhalten werden, ohne zugleich eine effiziente Steuerung des Versorgungs- und Vergütungsniveaus in anderen Regionen auszuschließen“, so die Kommission.
In einem zweiten Schritt soll die AMPreisV ersetzt werden durch Honorarverhandlungen mit den Krankenkassen: „Die zu verhandelnden Vergütungssätze für verschreibungspflichtige Arzneimittel sollten die Vergütung der heilberuflichen Leistungen, insbesondere der Beratung, sicherstellen. Es sollte keine Deckung sämtlicher Istkosten der Apotheken angestrebt werden. Zudem sollten einzuhaltende Standards bei der Leistungserbringung der Apotheken sowie Strafen bei Nichteinhaltung festgelegt werden.“
Die Apotheken könnten zudem eine erweiterte Aufgabe in der pharmakologischen Beratung und Betreuung von Patienten mit bestimmten Indikationen erhalten, die sich dazu bei einer Apotheke ihrer Wahl einschreiben sollen. Eine regelmäßige pauschale Vergütung sollte in den Verhandlungen um die Vergütungssätze aufgenommen werden und würde bei den entsprechenden Patienten die packungsbezogene Festvergütung der heilberuflichen Leistungen ersetzen.
Die Zuzahlung der gesetzlich Versicherten sollte später vollständig abgeschafft und durch ein von den Apotheken individuell zu erhebendes Serviceentgelt ersetzt werden, schlägt die Kommission vor. „Das Serviceentgelt wäre neben der von der Krankenversicherung für die heilberufliche Leistung festgelegten Festvergütung eine zweite Vergütungskomponente der Apotheken. Das Serviceentgelt könnte zudem auf die maximale vorher mögliche Zuzahlung begrenzt werden.“
Sollte die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung mit Apotheken gefährdet sein, wären Gemeinden und Gemeindeverbünde verpflichtet, die Versorgung sicherzustellen. Dazu sollten Kommunen Ausschreibungen vornehmen können. „Der Apotheker, der den geringsten regelmäßigen Förderbetrag anbietet, um im Gegenzug die Versorgung durch die Eröffnung einer Apotheke sicherzustellen, erhielte den Zuschlag“, so das Gutachten.
Ein Rx-Versandverbot wäre nicht nur europa- und verfassungsrechtlich problematisch, sondern auch in der Sache nicht zu rechtfertigen. Da der bisher geringe Anteil an Rx-Arzneimitteln im Versandhandel zu keinen erkennbaren Verdrängungswirkungen bei stationären Apotheken führe, andererseits aber gerade in bisher unterversorgten Gebieten den Arzneimittelzugang absichere, „ist durch ein Verbot kurzfristig eher eine Verschärfung der Versorgungsprobleme zu erwarten“.