Das mit Spannung erwartete Gutachten zum Apothekenhonorar im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) kommt erst nach der Bundestagswahl am 24. September. Die Abgabefrist läuft Ende September ab. Wie das BMWi mitteilt, steht noch kein konkreter Termin für die Präsentation fest. Eine Revolution steht aber nicht ins Haus. Die Gutachter von 2hm Research and Consulting müssen sich auftragsgemäß im Rahmen der gültigen Arzneimittelpreisregeln bewegen.
Trotzdem wird das Gutachten zu Beginn der nächsten Wahlperiode die Diskussion über eine Reform des Apothekenhonorars maßgeblich befeuern. Weit über die Parteigrenzen hinweg sind sich viele Player im Gesundheitswesen einig, dass eine grundlegende Honorarreform auf die politische Tagesordnung gehört. Zuletzt hat sich der AOK-Bundesverband in seinen Forderungen dafür mit dem Argument ausgesprochen, dass angesichts der immer höheren Preise für neue Arzneimittel das packungsbezogene Honorar mit seinem variablen 3-prozentigen Anteil nicht mehr zeitgemäß sei.
Auch die ABDA bereitet sich auf die kommende Debatte vor und hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die an neuen Konzepten feilt. Laut Fritz Becker, der als Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV) die AG Honorar leitet, „steckt der Teufel im Detail“. Überraschend hatte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt im Mai das niederländische Einschreibemodell ins Gespräch gebracht – dies aber als seine „Privatmeinung“ qualifiziert. Im Anschluss an die ABDA-Mitgliederversammlung kündigte Schmidt dann Widerstand der ABDA gegen Vorschläge aus der FDP an, Landapotheken durch einen „Sicherstellungszuschlag“ zu subventionieren.
Auch der Versandapothekenverband BVDVA hatte in der Diskussion über das Rx-Versandverbot immer wieder den Ausbau des Not- und Nachtdienstfonds zu einem Subventionstopf für die Arzneimittelversorgung auf dem Land ins Gespräch gebracht. Die ABDA hingegen will am packungsbezogenen Honorar festhalten und dieses um Honorarelemente für apothekerliche Dienstleistungen wie Beratung, Medikationsmanagement und Prävention erweitern.
Neben der FDP haben sich auch bereits die Grünen für eine umfassende Honorarreform ausgesprochen. Solche politischen Absichtserklärungen gibt es auch aus der SPD und der Union. Konkrete Modelle liegen allerdings noch nicht vor. Immer wieder werden zudem Vorschläge für ein Höchstpreismodell laut. Damit erhielten die Apotheker Spielräume für einen Preiswettbewerb bei Rx-Arzneimitteln. Die ABDA lehnt dies ab.
Umso gespannter warten alle Akteure auf das Honorargutachten von 2hm. „Die Ergebnisse des Gutachtens zur Arzneimittelpreisverordnung werden derzeit erarbeitet und voraussichtlich im Herbst 2017 fertiggestellt“, teile das BMWi schmallippig mit. Bislang sind keine Teilergebnisse bekannt geworden. In regelmäßigen Abständen haben die Gutachter im vom BMWi eingerichteten Beirat Bericht erstattet. Dort ist auch die ABDA vertreten. Derzeit ist nicht geplant, dass Teilergebnisse für der Bundestagswahl vorgestellt werden sollen.
Zuletzt hatte 2hm die Apotheker zur Teilnahme an einer einer Online-Befragung aufgerufen. Während ein Teil der angeschriebenen Inhaber und Filialleiter Fragen rund um Personaleinsatz und Warenwirtschaft beantworten musste, sollten andere detaillierte Auskunft über die Rezepturherstellung, Hilfsmittel und Beratung geben. Die schwerpunktmäßig zum Thema „Standardrezepturen“ befragten Apotheker sollten zunächst schätzen, wie oft sie Stoffe in unverändertem Zustand abfüllen und wie viel Zeit sie dafür benötigen. Auch der Aufwand beim Hantieren mit Standgefäßwaren sollte beziffert werden.
Dann sollten sie Angaben machen, wie viele Individualrezepturen in ihrer Apotheke im vergangenen Jahr hergestellt wurden. 2hm wollte wissen, welcher Prozentanteil davon im Voraus hergestellt wurde. Außerdem sollten die Befragten die Anzahl der gefertigten Defekturen nennen, die in einem zusammenhängenden Arbeitspaket hergestellt wurden.
Zusätzlich interessierte sich 2hm dafür, welche Arten von Rezepturen hergestellt werden. Die Befragten sollten Gruppen wie Pulvern/Zäpfchen/Vaginal-Kugeln/Kapseln oder Puder/Pulver/Salben/Pasten/Suspensionen/Emulsionen bestimmte Prozentsätze zuweisen. Angegeben werden sollte auch, wie lange der gesamte Herstellungsprozess – von der Plausibilitätsprüfung bis zur Freigabe der Rezeptur – im Durchschnitt dauerte. Für Rezepturen mit und ohne Wärmeanwendung sollten jeweils die Minuten geschätzt werden.
Im nächsten Schritt wurde verlangt, den Aufwand für die einzelnen Arbeitsschritte zu beziffern. 2hm interessierte sich auch für die Abgabe dokumentationspflichtiger Betäubungsmittel (BtM). Es folgten die allgemeinen Fragen zu Lage, Personalstamm, Umsatz, Rx-Anteil und zur Immobilie, in der sich die Apotheke befindet. Die Fragen nach Identität, Filialverbund und der Herstellung parenteraler Rezepturen wurden gleich eingangs gestellt.
Anfang März 2016 hatte das BMWi den Auftrag für das Forschungsprojekt zum Apothekenhonorar vergeben. 2hm mit Sitz in Mainz ist bislang im Gesundheitsmarkt weitgehend unbekannt. Man habe den Zuschlag wegen des „wissenschaftlich-methodischen Ansatzes“ und der Neutralität im Apothekenmarkt erhalten, begründete Forschungsleitern Iris an der Heiden die Entscheidung. Außerdem habe es von 2hm zu den verschiedenen Interessengruppen in der Vergangenheit noch keine Berührungspunkte gegeben.
2hm will zunächst die vorliegenden Daten zum Apothekenmarkt auswerten und gegebenenfalls zusätzliche eigene Daten zur Kostenstruktur in der Apotheke erheben. Orientieren werde man sich am bestehenden Honorarsystem, kündigte 2hm im März an. Das gegenwärtige System basiere allerdings auf den Wirtschaftsdaten einer durchschnittlichen Apotheke. Dies spiegele die großen Unterschiede nach Regionen, Standorten und Wirtschaftlichkeit nicht wider. Daher werde 2hm einen breiteren Forschungsansatz erarbeiten.
Ziel des Forschungsprojekts ist laut BMWi die Entwicklung einer Datenbasis, die eine differenzierte Betrachtung und Bewertung der wirtschaftlichen Lage von Apotheken erlaubt. Demnach soll geprüft werden, ob und in welchem Ausmaß Änderungen „aller in der AMPreisV geregelten Preise und Preiszuschläge für verschreibungspflichtige Arzneimittel“ nötig sind. Auch die wirtschaftlichen Folgen und die praktische Anwendung des Konzeptes sollen untersucht werden.
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