Honorargutachten

Apothekenhonorar im SPD-Strudel

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Berlin -

In die Diskussion um die Regierungsbildung nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen kommt Bewegung. Die Verweigerungshaltung von SPD-Parteichef Martin Schulz stößt vor allem in der SPD-Fraktion auf Widerstand. Dort plädierten einflussreiche Politiker inzwischen für offene Gespräche mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Mitten ins Tauziehen geraten ist auch das Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) zum Apothekenhonorar: Eine Veröffentlichung soll es erst dann geben, wenn Klarheit über die politischen Verhältnisse herrscht. Derweil sickern weitere Details durch.

Im Fall eines positiven Ausgangs der Jamaika-Sondierungen war eine rasche Veröffentlichung des Gutachtens geplant. Diese wurde jetzt gestoppt, weil die damit befassten Stellen auf SPD-Seite im derzeit laufenden Tauziehen um die Regierungsbildung mitmischen. Eine vorzeitige Veröffentlichung könnte die im Hintergrund laufenden Gespräch zudem belasten. „Es wird bereits intensiv gedealt“, so ein Insider.

Denn nach APOTHEKE ADHOC-Informationen kommt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) im 2hm-Gutachten nicht gut weg. Danach hat das Ministerium jahrelang „übersehen“, dass das Apothekenhonorar deutlich über dem in der BMG-Statistik ausgewiesenen Wert liegt. Der von 2hm ermittelte Honorarüberhang beträgt danach jährlich 1,7 Milliarden Euro. Aktuell beträgt das ausgewiesene, von den Krankenkassen gezahlte Honorarvolumen rund fünf Milliarden Euro. Die Krankenkassen seien „aus allen Wolken gefallen“, heißt es.

Das 2hm-Gutachten wird derzeit im BMWi unter Hinzuziehung von Experten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) geprüft. Dem Vernehmen nach soll die Höhe des Honorarüberschusses „geglättet“ werden. Derzeit führt immer noch Brigitte Zypries (SPD) geschäftsführend das BMWi. Sollte sich die SPD entschließen, in irgendeiner Form an einer Regierungsbildung mitzuwirken, könnte die SPD-Politikerin noch für längere Zeit das Ministerium leiten.

Im Hintergrund laufen derweil in der SPD Bemühungen, Parteichef Schulz politisch kalt zu stellen. Ihm wird vorgeworfen, nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen erneut vorschnell eine Gesprächsbereitschaft der SPD ausgeschlossen zu haben. Offen gegen Schulz gestellt hat sich bereits der Sprecher des in der Fraktion einflussreichen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs: „Die SPD sollte offen in die Gespräche mit dem Bundespräsidenten gehen, das gebietet schon der Respekt vor Amt und Person von Frank-Walter Steinmeier“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“.

Am Donnerstag wird Bundespräsident Steinmeier Schulz empfangen, um über die Situation nach dem Jamaika-Aus zu beraten und Chancen für neue Gespräche über eine Koalitionsbildung auszuloten. Kahrs forderte: „Statt uns direkt in Neuwahlen zu stürzen, sollten wir jetzt vor allem die Ausschüsse des Parlamentes einsetzen, damit Politik gemacht werden kann, auch ohne das Korsett eines Koalitionsvertrages.“ Ähnlich appellierte SPD-Verteidigungspolitiker Thomas Hitschler an seine Partei, sie solle jetzt nicht allein auf Neuwahlen setzen. „Eine Minderheitsregierung der Union ist durchaus eine Option. Sie ist nicht der Untergang der Demokratie.“

Auch das Wirtschaftsforum der SPD stellte sich offen gegen den Beschluss der Parteispitze und machte sich für Verhandlungen mit der Union stark. „Ich bin für Gespräche mit der CDU/CSU aus Verantwortung für dieses Land, um in schwierigen Zeiten eine stabile Regierung bilden zu können“, sagte Michael Frenzel, Präsident des Wirtschaftsforums, der WELT. „In den nächsten vier Jahren gilt es, Antworten auf zentrale Herausforderungen wie Digitalisierung oder Mobilität zu finden“, sagte der Ex-TUI-Chef. „Die SPD sollte sich hier nicht von der Gestaltung aussperren.“ Frenzel verwies dabei auf ein entsprechendes Votum einer „großen Mehrheit unserer Mitglieder des Wirtschaftsforums“ in einer Blitzumfrage.

Nicht nur in der SPD-Fraktion sorgen sich außerdem viele Mitglieder um ihre Mandate. Zudem würde ein neuer Wahlkampf viel Geld kosten. Nach Schätzungen verschlang der diesjährige Wahlkampf knapp 100 Millionen Euro. Und die Direktkandidaten schießen fünfstelligen Summen aus der eigenen Tasche hinzu. „Niemand will Neuwahlen“, heißt es in der SPD-Fraktion, dabei könne die SPD nur viele Mandate verlieren.

„Wir sollten jetzt darüber reden, wie wir einen Prozess gestalten, der unser Land in eine stabile neue Regierung führt“, relativierte auch SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles im ZDF die Position des SPD-Parteivorstandes von Montag. Dieser Prozess könne in eine Minderheitsregierung münden, von der auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schon gesprochen habe, so die SPD-Fraktionschefin.

Eine Wiederauflage der großen Koalition hatte die SPD-Spitze per einstimmigen Beschluss ausgeschlossen. Diese Position bröckelt erkennbar. Kahrs sagte heute im ZDF-Frühstücks-TV: Die Haltungen änderten sich jetzt täglich. Und auch SPD-Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel wiederholte auf Nachfrage diese Positionierung im Frühstücks-TV nicht. Stattdessen sagte er, die SPD habe beschlossen, dass sie Neuwahlen nicht scheue.

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