Kommentar

Apothekengesetz: Letzte Chance für Schadensbegrenzung

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Berlin -

Normalerweise steht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für rasche und klare Entscheidungen. So hat er es mit den Ärzten gemacht, mit den Krankenhäusern praktiziert, es bei der Pflege und der Digitalisierung gehalten. Nur mit den Apothekern kommt er nicht so recht voran. Vor über einem Jahr haben sich Spahn und ABDA-Präsident Friedmann Schmidt auf den Weg gemacht, eine politische Antwort auf das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 zu finden – eine Mission Impossible. Herausgekommen ist ein Apothekenstärkungsgesetz, das diesen Namen nicht verdient. Es geht jetzt vor allem um Schadensbegrenzung, kommentiert Lothar Klein.

Anders als bei allen anderen Gesetzesvorhaben fand der neue Bundesgesundheitsminister vor gut einem Jahr eine politisch heikle Ausgangslage vor: Das im neuen Koalitionsvertrag versprochene Rx-Versandverbot versperrte den Weg für eine realistische Lösung. Die Lippenbekenntnisse vieler CDU/CSU-Abgeordneten im letzten Wahlkampf hätten einem Härtetest ebensowenig standgehalten wie eine gesetzgeberische Umsetzung, die an Brüssel gescheitert wäre.

Also schmiedeten Spahn und die ABDA einen Plan B: 375 Millionen Euro zusätzliches Honorar und ein Boni-Deckel sollten die Abkehr vom Rx-Versandverbot kompensieren. Die geplante Obergrenze feierte ABDA-Präsident Schmidt als „Sicherheitsnetz“ gegen einen ausufernden Rx-Versand aus dem Ausland nach Deutschland. Mit diesem Plan B hätte man sich auch in Brüssel sehen lassen können – und mehr Geld war für die Apotheken nicht zu holen.

Der Rest des Dilemmas ist Geschichte: Kammern und Verbände folgten Spahn und Schmidt nicht auf diesem Weg. Nach dem Rx-Versandverbot wurde die unhaltbare Forderung nach Erhalt der Gleichpreisigkeit zur politischen Maxime erklärt. Spahn gab nach und schrieb ein Rx-Boni-Verbot ins Sozialgesetzbuch (SGB V) in Kenntnis der rechtlichen Umsetzungsprobleme. Die Quadratur des Kreises konnte nicht gelingen: Die EU-Kommission zeigte die gelbe Karte und dem Vernehmen nach hat man in Brüssel die Bundesregierung wissen lassen, dass man auch mit dem nachgebesserten Entwurf nicht einverstanden ist.

Es kam wie es kommen musste: Beim Apothekenstärkungsgesetz, das demnächst ins Kabinett kommt, geht es nur noch um Schadensbegrenzung. Die politischen Hauptforderungen der ABDA – erst Rx-Versandbverbot, dann Gleichpreisigkeit – sind nicht mehr zu retten. Völlig offen ist, ob das Boni-Verbot einer Prüfung durch die EU-Kommission standhält. Auch deshalb wird das Kabinett ein aufgesplittetes Apothekenpaket beraten: Das Gesetz mit dem Boni-Verbot und den neuen pharmazeutischen Leistungen und zwei Verordnungen mit der Erhöhung des Honorars für den Nacht- und Notdienst sowie die Erweiterung des Botendienstes.

Das ist mehr als Gesetzestechnik. Lehnt Brüssel am Ende das Boni-Verbot ab, wäre wenigstens das höhere Nacht- und Notdiensthonorar gerettet. Und mit der Erweiterung des Botendienstes können Initiativen wie „Zukunft Apotheke“ oder Pro AvO dem Versandhandel Paroli bieten. Völlig offen ist, wie es mit dem zugesagten Honorar für neue pharmazeutischen Leistungen weitergeht. Nach der Verabschiedung des Gesetzes muss der DAV mit dem GKV-Spitzenverband erst noch verhandeln. Was dabei herauskommen kann, erleiden derzeit viele Apotheker bei der Umsetzung des neuen Rahmenvertrages.

Trotzdem: Das Spahnsche Apothekengesetz ist die letzte politische Chance für die Apotheken. Von jeder kommenden Bundesregierung können die Apotheker nach Lage der Dinge noch weniger Entgegenkommen erwarten. Dann steht womöglich mehr als die Gleichpreisigkeit auf dem Spiel. Trotz aller Widrigkeiten müssen die Apotheker daher darauf setzen, dass das Apothekenstärkungsgesetz die parlamentarische Beratung übersteht und die Große Koalition so lange beisammen bleibt. Dann könnte die ABDA wenigstens ihre Karabiner abhaken und sich der Zukunft zuwenden: die Apotheken auf die neuen Dienstleitungsangebote vorbereiten, die Einführung des E-Rezepts zu einem Erfolg gestalten und an der sich abzeichnenden Veränderung des Apothekenmarktes mitwirken. Die Politik wird die Zukunft der Apotheker nicht retten, das müssen sie selbst in die Hand nehmen.

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