Landapotheker lässt Schulz-Asche in Bücher gucken Lothar Klein, 12.07.2017 09:06 Uhr
Er hat schon neben DocMorris-Vorstand Max Müller und ABDA-Präsident Friedemann Schmidt auf dem Podium gesessen – bei der Experten-Anhörung der Grünen zum Rx-Versandverbot Ende November im Bundestag. Jetzt hat Apotheker Christian Richter den Spieß umgedreht und die Sprecherin für Gesundheitswirtschaft der Grünen, Kordula Schulz-Asche, in seine Stadtapotheke in Bad Wilsnack geladen. Sie ist gekommen und hat Zeit mitgebracht. Drei Stunden demonstrierte Richter, dass auch Landapotheken digital auf der Höhe der Zeit sind.
Schon länger steht Richter im Dialog mit Schulz-Asche. Auf ein Interview der Politikerin reagierte er vor längerer Zeit mit einer ausführlichen E-Mail. Darin schilderte er seine Vorstellungen zum Apothekenhonorar und zum Rx-Versandverbot. So ist man in Kontakt gekommen. Schulz-Asche hatte ihm geantwortet und zur Anhörung der Grünen eingeladen.
Aus der Praxis eines Landapothekers schilderte Richter dort seine Sicht. Im Umkreis von 250 Quadratkilometern betreue er seine Patienten, berichtete er. Dabei sei die Prignitz in Nordbrandenburg mit 36 Menschen pro Quadratkilometer die am dünnsten besiedelte Region in Deutschland. Er leiste fast täglich Notdienst und versorge seine Patienten bis an das Krankenbett.
Trotzdem werde es wirtschaftlich immer schwerer: „Ich bin bereits unter Druck. Der Drops ist gelutscht.“ Er dürfe keine Rezepte an DocMorris verlieren. „Bei uns heißt der Versandhandel Botendienst und ich liefere meist in 24 Stunden.“ Jetzt sei aber schon ein Patient zu ihm gekommen und habe sein Rezept zurückgefordert, um es nach Holland zu schicken. Noch sei der Versandhandel klein, aber er wecke bei den Patienten „Begehrlichkeiten und Bedarf“.
Als er kürzlich ein weiteres Interview von Schulz-Asche zum Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen las, lud Richter sie spontan über Facebook in seine Apotheke ein. Drei Stunden nahm sich Schulz-Asche Zeit für den Besuch. Richter demonstrierte die Rezepterfassung per Computer, den digitalen Interaktionscheck, berichtete über die komplizierte Abwicklung von Rabattverträgen, Zuzahlungen und über die aktuellen Retaxationen der Barmer. Schulz-Asche zeigte sich beeindruckt vom Apothekenalltag und versprach, die Detailfragen mit nach Berlin ins Blickfeld der Gesundheitspolitik zu nehmen.
Und natürlich haben Richter und Schulz-Asche auch über den Versandhandel mit Arzneimitteln gesprochen und über das Apothekenhonorar. Einig waren sich beide, dass die Politik schnell handeln müsse, um die Wettbewerbsnachteile der Vor-Ort-Apotheken auszugleichen.
Dass Schulz-Asche beim ihrem Nein zum Rx-Versandverbot blieb, hat Richter nicht überrascht. Als Zwischenlösung habe Schulz-Asche eine Deckelung der Rx-Boni für ausländische Versandapotheken vorgeschlagen, berichtet Richter. Im Gegenzug sollten auch die inländischen Apotheken Boni geben dürfen.
„Ich habe Frau Schulz-Asche anhand meiner Zahlen nachgewiesen, dass meine Apotheke einen Bonus von einem Euro nicht aushält“, so Richter. „Ich habe Zahlen geliefert, die die Politik von der ABDA vermisst.“ Auch über ein Ausgleichsmodell für Landapotheken wurde diskutiert. Schulz-Asche habe die Notwendigkeit für Quersubventionen anerkannt, so Richter.
Vorgestellt hat der Apotheker sein persönliches Honorarmodell für die Zukunft: Heute gebe es keine wirtschaftlichen Anreize, ein Rezept oder einen OTC-Kaufwunsch aus pharmazeutischen Gründen abzulehnen: „Wir werden ökonomisch bestraft, wenn wir das tun“, so Richter. Ersetzt werden müsse das packungsbezogene Honorar durch ein Einschreibemodell, schwebt Richter vor. Jeder Patient soll sich für ein Jahr an eine Apotheke binden – die Apotheke erhält dafür ein festes Honorar als Gegenleistung für den Anspruch der Patienten auf pharmazeutische Betreuung.
„Ich habe versucht, Schulz-Asche einen Einblick in die Lage einer Landapotheke zu vermitteln“, fasst Richter sein Resümee des Besuchs zusammen. Man will in Kontakt bleiben.