Gentrifizierung

Apotheken-Winzling muss Platz machen

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Berlin -

Die Neuköllner Hohenzollern-Apotheke muss nach mehr als 100 Jahren schließen. Grund ist eine Mieterhöhung, die für die 56-Quadratmeter-Apotheke nicht stemmbar ist.

Auf Google ist die Hohenzollern-Apotheke noch geöffnet. Heute von 8.30 bis 19.30 Uhr. Die Realität sieht anders aus, das Unternehmen ist seit einigen Tagen geschlossen. Für immer. Sabine Göhr-Rosenthal ist Apothekerin mit Herzblut. Vater, Großvater, alle Apotheker. „Gern wäre ich hiergeblieben. Auf der Karl-Marx-Straße in Neukölln. In diesem bunten, multikulturellen Durcheinander“, sagte sie in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel. Die Hohenhzollern-Apotheke war die klassische Berliner Kiez-Apotheke. Mit Laufpublikum, Stammkunden, die ihr über Jahrzehnte die Treue hielten, Junkies, die sich ihre tägliche Spritze für 25 Cent kauften.

Wenn sie schließt, dreht sich die Neuköllner Multi-Kulti-Welt weiter. Ein kleines Stückchen Neukölln wird fehlen, aber im Moloch Berlin findet sich schnell Ersatz. Im Dezember 2016 erreichte Göhr-Rosenthal ein Schreiben, in dem der neue Vermieter ihr die neue Miete mitteilte. Zweieinhalb Mal mehr sollte sie bezahlen, ein vierstelliger Betrag. Zu viel für sie, so viel wirft eine kleine Apotheke nicht ab.

Sie hatte ein Jahr Zeit, sich an den schmerzlichen Gedanken der Schließung zu gewöhnen. Eine kleine, feine Apotheke ist Opfer des bösen Wortes „Gentrifizierung“ geworden. Als Göhr-Rosenthal den Brief öffnete, der ihr Schicksal besiegeln sollte, war das ein Schock für sie.

Sie dachte, so erzählte sie dem Tagesspiegel, an ihre Kunden, ihre fünf Mitarbeiter und an ihren Vater und Großvater. Der hatte alles aufgebaut, damals ab 1945. Um 1900 war die Apotheke am Hohenzollern-Platz in Rixdorf gegründet worden. Doch nach dem Krieg war der Betrieb ausgebombt. Für den Großvater, einen Kriegsflüchtling aus Schlesien, tat sich eine neue Zukunft auf. Er pachtete die Apotheke und zog mit ihr ein paar Häuser weiter. Schon als junges Mädchen war Göhr-Rosenthal von den geheimnisvollen Aktivitäten im Labor fasziniert. Und so wurde sie Apothekerin.

17 Jahre hat sie die Hohenzollern-Apotheke geleitet. Zum Abschied brachten traurige Stammkunden Blumen und selbst gebackenen Kuchen. Einen ihrer letzten Ratschläge erteilte sie einer Patientin mit Krebs: „Immer in Bewegung bleiben. Sie haben schon so viel geschafft. Nicht aufgeben.“ Göhr-Rosenthal blieb tapfer bis zuletzt. Auch sie wollte nicht aufgeben – genauso wie jene 40 Prozent ihrer Kollegen, die laut Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) mittelfristig nicht überlebensfähig sind, wie der Tagesspiegel schreibt.

Im Bericht kommen die Mitarbeiter zu Wort, mit denen die Apothekerin jahrelang zusammengearbeitet hat. Und dann wird der Moment beschrieben, in dem sie die Apotheke ein letztes Mal zuschließen und sich zum Abschied umarmen. Jetzt ist die kleine Apotheke mit großer Geschichte geschlossen. Bis ein Modeladen einziehen wird. Oder ein Coffee-Shop. Oder...

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