Apotheken verhindern Panik – und zahlen noch drauf Sandra Piontek, 24.09.2024 12:39 Uhr
Margit Schlenk, Inhaberin der MoritzApotheke in Nürnberg, befürchtet, dass sich die aktuelle Situation der Lieferengpässe noch weiter verschlimmern könnte. „Ich sehe schwere Versäumnisse und dringenden Handlungsbedarf“, so die Apothekerin. Es sei den Apotheken hoch anzurechnen, dass der Aufschrei in dieser prekären Situation nicht noch größer sei, sagt sie: „Das stabilisiert den sozialen Frieden.“
Die Lieferengpässe seien schlichtweg ein einziges „Desaster“, so Schlenk. „Die Medienberichte reflektieren die Lage, wie sie seit Jahren ist.“ Hunderte Arzneimittel seien nicht lieferbar. „Wir als Apothekenteams müssen unendlich viel Zeit investieren, bis wir ein Medikament finden, das verfügbar ist“, beklagt sie. Die Alternative sei ein aufgeblähtes Warenlager. „Über Monate im Voraus, um ja nicht Gefahr zu laufen, von Engpässen betroffen zu sein“, so Schlenk.
Es sei den Apotheken zu verdanken, dass der soziale Frieden immer noch bewahrt würde: „Es ist uns allen hoch anzurechnen, dass es nicht noch einen größeren Aufschrei gibt.“ Im Prinzip lächele man den Mangel weg: „Um kranke Patienten nicht noch weiter zu verunsichern“, beklagt sie. Doch all das bedrohe die Wirtschaftlichkeit der Apotheken, vor allem im Hinblick auf den Mehraufwand. Denn: „Es fehlen unzählige Arzneimittel. Wir müssen das Antibiotikum Doxycyclin aus Kamerun importieren. Es fehlen weitere Kinderantibiotika, Asthmasprays, Insuline, Blutdruckmedikamente“, nennt sie nur einige der vielen Beispiele.
„Wir brauchen in der Woche etwa sechs Stunden zusätzlich, um fehlende Medikamente doch noch zu beschaffen“, so Schlenk. „Diese Zusatzarbeit wird mit einer Lieferengpasspauschale von 50 Cent pro Medikament erstattet, die nicht angemessen ist“, erklärt sie. Apotheken sicherten den Versorgungsauftrag fast schon unsichtbar ab: „Obwohl das nicht mit einem auskömmlichen Honorar unterlegt wird“, so die Inhaberin. Sie ist sich sicher, dass das Apothekensterben auch wegen des „wirtschaftlich nicht darstellbaren Engpassmanagements“ voranschreiten werde.
Schenk fordert deshalb: „Es braucht dringend eine Preisreform sowie eine Honoraranhebung auf Leistungserbringerebene – also bei den Apotheken.“ Dabei sei Deutschland einmal Apotheke der Welt gewesen. „Aber inzwischen werden manche Generikatabletten mit unter einem Cent vergütet – wer soll da noch Lust haben, zu produzieren?“, fragt sie. „Wenn man Arzneimittelproduktion nach Deutschland zurückholen möchte, reden wir von mindestens zehn Jahren“, so Schlenk. „Gesundheit ist kein Wirtschaftsgut, sondern die wichtigste Ressource überhaupt. Die zehn Milliarden Subventionen, die dadurch frei werden, dass Intel sein Werk nicht baut, könnte man doch in die Modernisierung des Gesundheitssystems stecken“, schlägt die Apothekerin vor.