Die Apotheken Umschau hat ein Interview mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) veröffentlicht: In der aktuellen Ausgabe geht es um seine Reformpläne und die Chancen, die er für Vor-Ort-Apotheken sieht. Dass er in der von den Apotheken bezahlten Kundenzeitschrift den Raum bekommt, seine Reform besser zu verkaufen als sie für viele Apothekerinnen und Apotheker tatsächlich ist, sorgt für massive Kritik. Also gibt es die Umschau derzeit vielerorts inklusive Aufklärung.
Für einen Einleger in der aktuellen Umschau hat sich Apotheker Gerald Wartenberg aus Bad Dürrenberg südlich von Halle entschieden. Sein umfängliches Statement zu Lauterbachs Plänen und deren Einordnung findet unter den Kolleg:innen großen Zuspruch. Die kostenlose Zugabe der besonderen Art gibt es bei ihm direkt in der Umschau auf Seite 20 als DINA5-Blatt eingelegt.
„Die Leute dürfen nicht denken, dass das die Meinung der Apotheken ist.“ Vielen Kund:innen falle es immerhin schwer, da zu differenzieren. Aufklärung sei hier also nötig. Ob seine Botschaft auch verstanden wird, kann Wartenberg noch nicht abschätzen. Zwar regen sich derzeit viele Menschen über die Gesundheitspolitik auf, ob die Einordnung und der Standpunkt der Apothekerschaft aber verstanden wird, lässt sich aus Sicht des Inhabers noch nicht abschätzen.
Viele der Kolleg:innen wollen es ihm zumindest nachmachen, Wartenberg freut sich, wenn sein Text kopiert wird, und verteilt ihn gern weiter.
So schreibt der Apotheker: „Sie erhalten heute eine Apotheken Umschau, in der ein Interview mit dem Gesundheitsminister Karl Lauterbach erscheint. Dieses wurde weder von uns beauftragt oder initiiert, noch sind wir mit der dargestellten Meinung des Ministers zu den Apotheken einverstanden. Wir haben daher überlegt, ob wir Ihnen diese Zeitschrift überhaupt zur Verfügung stellen. Wir haben uns dazu entschieden, Ihnen die Lektüre nicht zu verwehren, möchten Ihnen dafür allerdings unsere Sicht auf die Situation schildern.“
Wartenberg beschreibt anschließend die aktuelle Notlage, geht auf Lieferengpässe, zu viel Bürokratie und die Sparpolitik der vergangenen Jahre inklusive fehlender Vergütung für die Apotheken ein, was auch die Hintergründe zu den Protesten seien. Die Light-Pläne von Lauterbach stellen nun eine weitere Gefahr für die Versorgung durch die Apotheken-vor-Ort dar, so Wartenberg. „Wollen Sie dies wirklich?“
Zudem fragt der Inhaber: „Warum steht Geld für ‚Gesundheitskioske‘ und 97 Krankenkassen mit 97 Vorständen, Verwaltungen, Aufsichtsräten etc. zur Verfügung, nicht aber für die bestehenden Strukturen vor Ort?“ Er hofft auf Unterstützung bei der Kundschaft: „Wir werden weiterkämpfen und uns mit aller Kraft für Rahmenbedingungen einsetzen, die es uns ermöglichen, die Arzneimittelversorgung heute und in Zukunft für Sie sicherzustellen. Bitte unterstützen Sie uns dabei!“
Von Wartenberg hat sich auch Apothekerin Cordula Eichhorn inspirieren lassen. Neben dem Schreiben, dass sie etwas abgewandelt hat, macht sie aber auch ganz deutlich auf der Umschau eine Anti-Lauterbach-Kampagne. Sie hat einen Aufkleber auf jede Ausgabe geklebt, der vor Lauterbach als „Lebensgefahr für Sie und Ihre Kinder“ warnt.
Den Aufkleber hat Christoph Dahlem entworfen, so Eichhorn, „und ich habe ein Schreiben für meine Kunden aufgesetzt, welches sie zusammen mit der beklebten Umschau erhalten.“ Zunächst wollte sie die Umschau gar nicht abgeben, hat sie aber dann doch wieder aus dem Papiermüll geholt. Unkommentiert stehen lassen wollte sie das Interview aber keinesfalls. Die Patient:innen dürften nicht denken, „dass ich dem Interview von Karl Lauterbach zustimmen würde, da dieses Interview suggeriert, dass die Vor-Ort-Apotheke von Lauterbach geschützt und gefördert wird, obwohl er ganz andere Pläne hat!“
Außerdem heißt es im beigelegten Text: „Die dargestellte Meinung des Ministers ist in vielerlei Hinsicht fachlich schlichtweg falsch und wir haben lange diskutiert, ob wir Ihnen die Zeitschrift überhaupt abgeben.“ Für Fragen zu Lauterbachs Gesundheitspolitik stünde sie zudem immer gerne bereit.
Viele Inhaber:innen machen ihrem Unmut über Lauterbachs Aussagen in der von ihnen bezahlten Kundenzeitschrift bereits über die sozialen Medien Luft. Das Interview wollen sie so nicht stehen lassen, sondern ihre Kund:innen aufklären. Tenor beispielsweise: Man sei nicht mit den getroffenen Aussagen zum Apothekenmarkt einverstanden und wolle die politischen Pläne des Ministers ins rechte Licht rücken. Schließlich würde eine Umsetzung seiner Vorhaben für Vor-Ort-Apotheken auch Auswirkungen für die Patient:innen haben.
So auch in den Apotheken von Dr. Matthias Schneider. Der Inhaber aus Dillingen versucht seinen Kundinnen und Kunden zu erklären, dass dieses Interview sehr einseitig die Sicht Lauterbachs zeige – bei der die Apothekerschaft keinesfalls mitgehe. „Das ist reine Augenwischerei“, so Schneider bezüglich Lauterbachs Aussagen im Interview.
Er habe seine Meinung zur Gesundheitspolitik bereits vor wenigen Tagen in der Lokalpresse deutlich gemacht und werde darauf auch häufig bei der Arbeit angesprochen: In der Augsburger Allgemeinen erschien vorab zum Protest in Dresden ein Interview mit Schneider, in dem er unter anderem sagt, dass Lauterbachs Politik zu weiteren dauerhaften Apothekenschließungen führen werde. Seine Kundschaft konnte er also bereits vorab gut für das Thema sensibilisieren. Sollten Kund:innen ihn auf das Interview ansprechen, klärt er sie gern über den wahren Inhalt der Aussagen auf.
Auch Apothekerin Franziska Utzinger aus dem bayerischen Nersingen bezieht klare Stellung gegenüber dem Lauterbach-Interview in der Umschau. Die Zeitschrift würde so stark gelesen, da dürfe bei den Leser:innen keinesfalls der Eindruck entstehen, Lauterbachs Pläne seien positiv für die Apotheken. Das wäre aus ihrer Sicht nicht tragbar. „Es geht einfach nicht, dass er seine Politik in dem Interview so positiv darstellt.“
Lauterbach entwerfe ein völlig falsches Bild und die Sicht der Apothekerschaft interessiere ihn auch gar nicht, so Utzinger. Es wäre nun Aufgabe der abgebenden Apotheken, den Interview-Inhalt geradezurücken. Wenn sie von Kunden darauf angesprochen wird, macht sie ihre Meinung auch gerne deutlich – genauso wie sie es der Lokalpresse gegenüber bereits im Zusammenhang mit den Protesten gemacht hat.
APOTHEKE ADHOC Debatte