Paulus (Grüne): „Apotheken sind keine Goldgruben“ Silvia Meixner, 26.05.2017 15:15 Uhr
Ein Hoffnungsschimmer für die von der Politik arg gebeutelten Apotheker? Die Apothekerin und Klimaschutz-Aktivistin Jutta Paulus ist neue Landeschefin der rheinland-pfälzischen Grünen. Sie will in den Bundestag, auf ihrer Themenliste stehen auch die Vergütung der Medikationspläne und ein neues – einfaches und transparentes – Vergütungssystem für Apotheken. Und die Kettenfrage ist vorerst gestrichen.
Apotheken sind, so Paulus, nur bedingt ein Wahlkampfthema, für das sich die Massen begeistern lassen: „In den Augen der Bürgerinnen und Bürger sind Apotheken noch immer ‚Goldgruben‘ – dass die Situation sich seit den 70er Jahren erheblich verändert hat, ist den meisten nicht bekannt. Meiner Einschätzung nach ist das Thema Apotheken nur bei wenigen ganz oben auf der Prioritätenliste – nämlich bei denen, die auf dem Land wohnen und die Angst um ihre Arzneimittelversorgung haben sowie bei den betroffenen Inhabern und ihren Mitarbeitern“, sagt die Apothekerin im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC.
Was kümmert uns unser Geschwätz vom letzten Wahlkampf? Die Kettenfrage ist vom Tisch: Im Wahlkampf 2013 hatte Spitzenkandidat Jürgen Trittin die Aufhebung des Mehrbesitzverbotes gefordert. Vier Jahre später sagt Paulus: „Die Kettenfrage ist kein Wahlkampfthema. Inhabergeführte Apotheken wird es nur mit dem Fremd- und Mehrbesitzverbot geben können. Wir brauchen nicht mehr Kapitalgesellschaften, die Apotheken betreiben, sondern Apotheker, die mit ihrem fundierten pharmazeutischen Wissen verantwortlich in der Patientenberatung tätig sind. Deswegen setzen wir uns für eine Reform der Apothekenform und -vergütung ein, damit Pharmazeuten flächendeckend und dem Bedarf entsprechend beraten können.“
Für Apotheker ist eine Politikerin, die vom Fach ist, ein Hoffnungsschimmer. Die Pharmazeutin hat in verschiedenen Apotheken gearbeitet, derzeit ist sie im Qualitäts- und Prozessmanagement des Krankenhauses in Neustadt tätig. Ihr Arbeitsfeld umfasst die Überprüfung des Vorhandenseins und der Einhaltung medizinischer und organisatorischer Leitlinien, Standards und Arbeitsanweisungen, Audits auf Stationen sowie die Risikobewertung typischer Prozesse.
Sie sagt: „Da ich selbst die umfassende und fundierte universitäre Ausbildung als Apothekerin genossen habe, finde ich es bedauerlich, dass dieses Wissen und diese Fachkenntnis in der Bevölkerung so wenig bekannt sind und dementsprechend auch nicht gewürdigt werden. Hier ist es an der Apothekerschaft selbst, gegenzusteuern: „Mir ist klar, dass dies im Apothekenalltag mit immer neuen regulatorischen Anforderungen oft schwierig ist. Aber es tut mir in der Seele weh, wenn bei Testkäufen immer wieder Defizite bei der Beratung festgestellt werden.“
Sie kennt die Probleme der Branche: „An erster Stelle ist sicher die hohe Belastung durch nicht-pharmazeutische Tätigkeiten zu nennen: ständig wechselnde Rabattverträge erfordern hohen Einsatz bezüglich der Patientenberatung. Außerdem bewirken sie Kosten für die Aktualisierung der Software. Völlig unverständlich ist auch, dass die Mitwirkung von Apothekern bei der Erstellung von Medikationsplänen unentgeltlich erfolgen soll, während Ärzte hier eine Vergütung erhalten.“
Im Bund haben die Grünen kürzlich eine „generalstabsmäßige Reform des Apothekenmarktes“ angekündigt. Paulus erklärt: „Die Bundes- und Landes-Grünen sind sich einig, dass eine Reform des Apothekenhonorars notwendig ist.“ Die Expertenkommission soll sich aus Apothekerschaft, Verbänden, Patientenverbänden, Selbsthilfe-Organisationen, Bundesländern, Krankenversicherungen und unabhängigen wissenschaftlichen Experten zusammensetzen.
„Diese Kommission soll auf Grundlage des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Jahr 2015 in Auftrag gegebenen Gutachtens zur ‚Ermittlung der Erforderlichkeit und des Ausmaßes von Änderungen der Arzneimittelpreisverordnung geregelten Preise“ konkrete Empfehlungen vorlegen, wie das Preis und Honorierungssystem grundlegend weiterentwickelt werden kann.“ Die Forschungsstudie läuft derzeit, die Ergebnisse sollen im Herbst vorliegen.
Ein künftiges Honorarsystem müsse Anreize für eine differenzierte Patientenversorgung und mehr Qualität setzen. „Die pharmazeutische Beratung unter den Bedingungen komplexerer Arzneimitteltherapien und damit einhergehender höherer Anforderungen an die Arzneimittelsicherheit muss unbedingt gestärkt werden. Idealerweise würde eine einfache und transparente Gebührenordnung für die pharmazeutische Leistung der Apotheken geschaffen.“
Fest steht: Vor der Bundestagswahl im September wird sich für Apotheker aus Paulus‘ Sicht nichts mehr ändern. „In den wenigen verbleibenden Bundestagssitzungen ist beim besten Willen nicht mit einer substanziellen Veränderung der derzeitigen Situation zu rechnen. Alle Reformprozesse können also erst in der nächsten Legislaturperiode begonnen werden.“