Interview Wolfgang Zöller

„Apotheken-Service ist eine Frage der Einstellung“ Alexander Müller, 18.09.2010 12:36 Uhr

Berlin - 



Mit dem Regierungswechsel wurde der CSU-Gesundheitsexperte Dr. Wolfgang Zöller zum Patientenbeauftragten der Bundesregierung. Die Perspektive auf die Gesundheitspolitik - auch auf die Apotheken - hat sich damit verändert. Mit APOTHEKE ADHOC sprach Zöller über patientenunfreundliche Rabattverträge, mangelnden Preiswettbewerb und die Leistungen der Apotheken.



ADHOC: Was wünschen Sie sich von Apotheken?

ZÖLLER: Ich würde mir wünschen, dass die Apotheken noch mehr Beratung anbieten. Da gibt es schon sehr gute Beispiele, aber es gibt leider auch negative: Patienten kommen in die Apotheke, geben ihr Rezept ab, bekommen das Arzneimittel über den Tische geschoben - und damit hat es sich. Das kann es nicht sein. Damit stellen sich die Apotheker selber in Frage.



ADHOC: Haben Apotheken ein Preisproblem?

ZÖLLER: Nein. Bei verschriebenen Arzneimitteln sind ja nicht die Apotheker für die Preise verantwortlich. Allerdings würde ich mir im OTC-Bereich mehr Wettbewerb wünschen. Da könnten die Preise schon ein bisschen unterschiedlich sein. Wenn Sie in einer Großstadt von Apotheke zu Apotheke gehen, merken Sie nicht, dass es im OTC-Bereich einen großen Wettbewerb gibt. Das ähnelt schon eher einer Preisabsprache.



ADHOC: Wo könnten sich Apotheken verbessern?

ZÖLLER: Im Service natürlich. Da brauchen die Apotheken sich nur in ihrem eigenen Umfeld umzuschauen. Wenn einem Kunden auf dem flachen Land gesagt wird: Das Medikament ist nicht da, kommen Sie bitte in vier Stunden wieder, dann spricht das in Zukunft nicht für diese Apotheke. Es gibt aber auch Apotheken, die nach Hause liefern, wenn ein Medikament wirklich einmal nicht am Lager ist. Service liegt auch ein bisschen an der Einstellung des jeweiligen Apothekers.



 



ADHOC: Können sich Apotheken das überhaupt noch leisten?

ZÖLLER: Die Apotheken erhalten einen festen Betrag für ihre Tätigkeit. Wenn eine Apotheke diesen Service nicht anbietet, muss sie damit rechnen, dass der Kunde dann nicht mehr in dieser Apotheke erscheint. Das wird eine ganz einfache wirtschaftliche Rechnung sein, ob man das anbietet oder nicht.



ADHOC: Gibt es zu viele Apotheken?

ZÖLLER: Nein, zunächst einmal muss die flächendeckende Versorgung sichergestellt sein. Es wäre schlecht, wenn wir nur noch in Ballungsgebieten alle 50 Meter eine Apotheke hätten und auf dem flachen Land keine. Zur Zeit ist die Versorgung auf dem Land noch recht gut, wir müssen nur aufpassen, dass nicht Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es den Landapotheken künftig erschweren.



ADHOC: Wie kann die Versorgung sichergestellt werden?

ZÖLLER: Die ländliche Versorgung kann nur dann sichergestellt werden, wenn auch die Versicherten verbraucherbewusst handeln. Das ist wie früher mit den Tante-Emma-Läden. In jeder Gemeinde gab es ein kleines Lebensmittelgeschäft, doch man hat sich die „Rosinen“ im großen Supermarkt gekauft und sich dann anschließend beschwert, dass es den Tante-Emma-Laden nicht mehr gibt. Wenn man sich die Rosinen jetzt über den Versandhandel kommen lässt, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die eine oder andere Landapotheke dann Probleme bekommt.



ADHOC: Wie bewerten Sie Rabattverträge?

ZÖLLER: Die Idee der Rabattverträge war in Ordnung: Besonders hochpreisige Arzneimittel sollten in Rabattverträgen verhandelt werden. Aber dass sehr viele Kassen alle Arzneimittel in diese Rabattverträge aufgenommen haben, halte ich für nicht patientenfreundlich. Hier entscheidet mehr der Kassenvertreter, welches Medikament der Patient bekommt, als der Arzt. Ich wünsche mir wieder mehr Therapiefreiheit.



ADHOC: Gibt es Alternativen?

ZÖLLER: Wenn man zum Beispiel bei Generika Geld einsparen will, hätte man das auch mit der Festbetragsregelung machen können. Denn wenn jetzt so viel Geld eingespart wird, wären ja die Festbeträge die ganze Zeit zu hoch gewesen. Wenn man diese Möglichkeiten genutzt hätte, hätte man viel Verunsicherung bei den Patienten vermeiden können.