Der Honorardeckel im Tausch gegen eine bessere Vergütung von Rezepturen und Betäubungsmitteln – auf diesen Kompromiss haben sich Gesundheitspolitiker von Union und SPD verständigt. Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV) sieht das kritisch: „Es ist absolut inakzeptabel, wenn die Regierungsfraktionen die auf Fixum und prozentualer Vergütung basierende und bewährte Mischkalkulation bei Fertigarzneimitteln jetzt in Frage stellen.“
In der Koalition wird seit Längerem diskutiert, wie man auf die zunehmende Zahl extrem teurer Arzneimittel reagieren kann. Ein Honorardeckel für die Apotheker galt in der Koalition als Option, die Kosten zumindest auf dieser Handelsstufe zu begrenzen. Derzeit erhalten die Apotheker neben ihrem Fixum von 8,35 Euro einen variablen Aufschlag von 3 Prozent auf den Einkaufspreis.
Bei den Großhändlern ist die prozentuale Marge auf einen Betrag von 38,70 Euro gedeckelt. Das soll nun offenbar auch beim Apothekenhonorar geschehen: „Auf Grund des steigenden Anteils von hochpreisigen Arzneimitteln wollen wir das Apothekenhonorar anpassen. Vorgeschlagen wird, dabei den prozentualen Anteil des Apothekenhonorars zu deckeln“, heißt es in dem „Grundlagenpapier zu den Ergebnissen des Pharmadialogs“. Im Gegenzug soll es bei der BtM-Abgabe und bei Rezepturen Zuschläge geben.
Becker begrüßt, „dass die Bundesregierung die versorgungspolitisch wichtige und überfällige Anpassung der Vergütung im Bereich Beratung für Rezepturen und Betäubungsmitteldokumentation angehen will“. Das sei zunächst einmal gut. „Überhaupt nicht gut ist dagegen, was an Planspielen zu Fertigarzneimitteln kursiert.“
Becker betont, die Mischkalkulation sei ein Ordnungsprinzip, „das man nicht einfach am einen Ende, also bei innovativen Arzneimitteln, selektiv aushebeln kann, weil es einem gerade opportun erscheint“. Wenn die Politik hier eine Diskussionsfront aufmache, konterkariere sie ihre eigenen Pläne und Ankündigungen, das Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums abzuwarten, das genau diese Fragen bis Ende 2017 beantworten soll. „Klar ist, dass am Ende eine verbesserte Vergütung der Apotheken stehen muss“, betonte Becker. „Für Nullsummenspiele sind wir nicht zu haben.“
Leider bleibe die Koalition auch mit ihrer Ankündigung zur Importförderklausel auf halbem Wege stecken: „Statt die Importquote, die kaum Ersparnisse für die Kassen bringt, der Patientensicherheit unterzuordnen und sie deshalb konsequent ganz abzuschaffen, will man jetzt offenbar nur Details anpassen“, so Becker.
Die Hoffnung der Apotheker, die Importquote könne im Ergebnis des Pharmadialogs abgeschafft werden, wurde enttäuscht. Auch Union und SPD wollen das Instrument nicht streichen. Es soll jedoch geschärft werden: Künftig soll der Preisabstand zum Original immer mindestens 15 Prozent betragen, statt wie bisher alternativ 15 Euro. Denn bei extrem hochpreisigen Arzneimitteln fällt der absolute Differenzbetrag kaum ins Gewicht.
Aus Sicht von Becker rücken durch das Festhalten an der Importquote die positiven Ansätze, die das Papier habe, in den Hintergrund: Union und SPD planen, OTC-Arzneimittel für bestimmte Patientengruppen wieder in die Erstattung aufzunehmen. Ältere und multimorbide Versicherte könnten sich freiverkäufliche Arzneimittel demnach wieder auf Kosten ihrer Kasse verordnen lassen. Außerdem soll die Altersgrenze für Kinder und Jugendliche von 14 auf 18 Jahre angehoben werden. Eine entsprechende Forderung hatte der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) schon einmal vorgetragen.
Ausschreibungen zu Impfstoffen sollen wieder abgeschafft werden. Das Instrument hat sich aus Sicht der Koalitionäre nicht bewährt. Innerhalb der Union wird dem Vernehmen nach auch noch diskutiert, ob auch Ausschreibungen zu Zytostatika wieder gestrichen werden sollen.
Union und SPD wollen zudem die Herstellung von Biosimilars fördern: Rabattverträge sollen erst nach Patentablauf geschlossen werden. Diese „Stunde null-Systematik“ hatten die Hersteller von Biosimilars wiederholt gefordert, um den Marktzugang so zu erleichtern.
Die Nutzenbewertung neuer Arzneimittel soll aus Sicht der Koalitionäre möglichst früh mit dem Zulassungsverfahren synchronisiert werden. An der zweckmäßigen Vergleichstherapie als Maßstab für den Erstattungspreis wollen Union und SPD dagegen festhalten. „Höhere Preise ohne Zusatznutzen sind nicht vertretbar“, heißt es in dem Papier.
Legt ein Hersteller nach Aufforderung kein ausreichendes Dossier zur Nutzenbewertung vor, soll dies künftig sanktioniert werden. Bei der Bewertung des Bestandsmarkts sollen laut Papier Arzneimittel einbezogen werden, bei denen es eine Indikationsausweitung gab. Hier sei die Nutzenbewertung zwingend nachzuholen.
Das Grundlagenpapier ist von den gesundheitspolitischen Sprechern der Fraktionen, Maria Michalk (CDU) und Hilde Mattheis (SPD), gezeichnet sowie von den Berichterstattern für Arzneimittel in den jeweiligen Arbeitsgruppen, Michael Hennrich (CDU) und Martina Stamm-Fibich (SPD). Wann die verschiedenen Vorschläge in etwaige Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden könnten, ist noch vollkommen offen.
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