Bundesgerichtshof

Apotheken als Beratungsdienstleister?

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Berlin -

Apotheken dürfen laut Bundesgerichtshof (BGH) als Pick-up-Stellen fungieren – zumindest solange sie die Arzneimittel prüfen und die Verbraucher bei Bedarf beraten. Dann sind sie aber auch im arzneimittelrechtlichen Sinne für die Abgabe verantwortlich und dürfen ergo keine Rx-Boni gewähren. Dies geht aus dem Tenor zum Urteil im Streit um ein Rabattmodell einer Apotheke aus Freilassing hervor, den der BGH gerade veröffentlich hat. Der Richterspruch könnte weitere Experimente geradezu heraufbeschwören: Denn die Apotheke war in dem Rabattmodell nur Vermittler – und eben nicht „Verkäufer“ der Arzneimittel.

 

Die Apothekerin hatte ihren Kunden angeboten, Medikamente bei einer Apotheke in Budapest zu bestellen und diese dann in der Apotheke in Freilassing abzuholen. Auf OTC-Präparate gab es einen Rabatt von 22 Prozent, auf verschreibungspflichtige Medikamente in Höhe von 10 Prozent. Die Produkte wurden zunächst durch einen Großhändler aus Deutschland an die Apotheke in Budapest geliefert und dann zurückgebracht. Finanziert wurde das Ganze über das Steuergefälle zwischen beiden Ländern.

Im Oktober 2010 hatte das Oberlandesgericht München (OLG) das Rabattmodell für rechtmäßig erklärt. Die Übergabe an den Kunden sei rechtlich als Abgabe zu werten, auch wenn sie im Namen der Budapester Apotheke erfolge, so die Richter damals. Damit war das Konzept zwar bestätigt; zugleich waren aber Rx-Boni wegen der Abgabe in Deutschland verboten und damit der eigentliche Anreiz hinfällig.

Die Kläger – zwei Apothekerinnen aus demselben Ort – waren trotzdem gegen das Urteil in Revision gegangen. Doch der BGH schloss sich jetzt den Ausführungen des OLG an – und verneinte dabei auch einen Verstoß der Apotheke gegen das sogenannte Verbringungsverbot: Im Streitfall gebe es gar keinen Versand unmittelbar an Endverbraucher. Auch wenn die Apotheke lediglich vermittle und der Kaufvertrag zwischen dem deutschen Kunden und der Budapester Apotheke zustande komme, sei die Apotheke als Empfängerin anzusehen, die ihrerseits die Medikamente an die Kunden abgebe.

 

 

Für die arzneimittelrechtliche Beurteilung sei maßgebend, dass in die Abgabe an den Endverbraucher eine inländische Apotheke eingeschaltet sei. Diese wiederum sei verpflichtet, die Qualität, Eignung und Unbedenklichkeit der Arzneimittel zu prüfen und die Verbraucher bei Bedarf zu beraten. Daher sieht der BGH die deutsche Apotheke als Empfängerin der von der Budapester Apotheke versandten Arzneimittel.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Apotheken damit künftig auch als bloße Arzneimittel-Vermittler auftreten können – und zwar nicht nur für im Ausland zugelassene Versandapotheken: Denn die Budapester Apotheke erfüllt laut BGH nicht einmal die Voraussetzungen für den Versand von Arzneimitteln aus dem EU-Ausland an deutsche Endverbraucher. Im Extremfall könnte künftig also jedermann an deutsche Kunden versenden, sofern er eine Apotheke findet, die – gegen eine Handling-Gebühr – die Abgabe verantwortet. Beim BGH war auf Nachfrage heute niemand mehr zu erreichen.

Die Aushändigung ungeöffneter Tütchen à la „Vorteil24“ war übrigens nicht Thema des Verfahrens. In diesem Fall könnte die Übergabe nicht als Abgabe zu werten sein – dann wiederum stellte sich noch die Frage, ob diese Tätigkeit apothekenüblich ist. Die Finanzgerichte wiederum müssen klären, ob der Steuertrick rechtmäßig ist.

 

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