Corona-Hotspot Rottal-Inn

Apotheke im zweiten Komplett-Lockdown: „Es nervt“

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Berlin -

Explodierende Infektionszahlen und ein besonders harter Lockdown: Damit muss Norbert Veicht schon wieder umgehen. Seine Antonius-Apotheke in Massing liegt im Landkreis Rottal-Inn, der während der ersten Welle der Covid-19-Pandemie zu den am stärksten betroffenen Regionen Deutschlands zählte. Nun ist die zweite Welle da und Rottal-Inn gehört wieder zu den am schwersten getroffenen Gegenden. Noch bevor am Montag der „Lockdown light“ über die Bundesrepublik verhängt wird, hat Rottal-Inn bereits die volle Breitseite abgekriegt: Seit Dienstag ist der Landkreis zum zweiten Mal komplett dicht. Für Veicht ist es weniger schlimm als beim ersten Mal – weil er sich diesmal vorbereiten konnte. Aber statt des Schocks aus dem Frühjahr plagt ihn und die Menschen um ihn herum nun die wachsende Frustration.

Die Bewohner von Rottal-Inn müssen seit Dienstag zum zweiten Mal durch einen Lockdown – und die Auflagen sind härter als die, die ab Montag im Rest der Republik gelten. So gelten strikte Kontaktbeschränkungen: Aus dem Haus darf nur, wer laut Anordnung „triftige Gründe“ vorweisen kann, darunter der Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen, die Versorgung von Tieren, die Inanspruchnahme von medizinischen oder veterinärmedizinischen Versorgungsleistungen sowie der Besuch bei Lebenspartnern, Alten, Kranken oder Menschen mit Einschränkungen – aber nur außerhalb von Einrichtungen. Denn in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Altenheimen herrscht Besuchsverbot. Alle Einrichtungen, die dem Freizeitvergnügen dienen, sind geschlossen, inklusive Gastronomiebetrieben und Hotels.

Für Sport und Bewegung an der frischen Luft dürfen die Menschen noch vor die Tür, allerdings ausschließlich alleine, mit Angehörigen des eigenen Hausstands oder mit einer weiteren Person, die nicht im selben Hausstand lebt. Die Polizei soll die Einhaltung dieser Regeln kontrollieren. Anders als im Rest Deutschlands wurden auch Schulen und Kitas komplett geschlossen, nur die von den Kommunen organisierte Notversorgung ist davon nicht betroffen. „Vor allem, dass die Schulen wieder geschlossen sind, macht es für mich als Familienvater schwierig. Man merkt schon, dass es hier ein deutlich härterer Lockdown ist als im Rest von Deutschland“, sagt Veicht.

Wenigstens ist die Situation nicht neu. „Es nervt“, sagt er. „Aber immerhin haben wir mittlerweile eine gewissen Routine und haben uns diesmal auch vorbereiten können, weil es ja absehbar war, was kommt.“ Denn die Entwicklung der Infektionszahlen habe schon vor Wochen gezeigt, worauf es hinausläuft. „Wir waren zeitweise schon bei einer Inzidenz von 350 Fällen auf 100.000 Einwohner, inzwischen sind es knapp 300. Deshalb ist aus meiner Sicht auch verständlich, dass jetzt der nächste Lockdown verhängt wurde.“ Laut Bayerischem Rundfunk hat Rottal-Inn seit Freitag gar die höchste Sieben-Tages-Inzidenz aller Landkreise in Deutschland.

Auf die Politik sei er deshalb auch überhaupt nicht wütend, es sei ja klar, dass etwas getan werden müsse. „Auf die Politik kann ich nicht schimpfen, aber ich habe Wut auf die Ignoranz vieler Bürger, die das so haben eskalieren lassen. Es ist nur ein gewisser Prozentsatz Idioten, die daran schuld sind. Die meisten sind vernünftig, aber die paar, die es nicht sind, machen alles kaputt.“ Überrascht habe ihn lediglich, wie schnell die zweite Welle eingeschlagen hat. „Das, was wir jetzt erleben, hatten wir eigentlich erst für den Winter erwartet.“

Für ihn selbst sei der erneute Lockdown dabei gar nicht so dramatisch. „Wir sind bisher gut durchgekommen und haben uns diesmal auch im Vornherein gut mit Masken, Ausgangsstoffen für Desinfektionsmitteln und anderen stark nachgefragten Produkten eingedeckt. Beim ersten Mal war es viel schlimmer, da hatten wir ja gar keine Möglichkeit, uns vorher auszurüsten, sondern mussten dann alles zusammenkratzen, was wir irgendwie kriegen konnten.“ Hinzu komme, dass diesmal auch die Bewohner des Kreises bereits mit der Situation vertraut sind. Hamsterkäufe blieben bisher aus, weil sich alle schon zuvor eingedeckt haben.

Außerdem hätten sich die meisten der ab dem Frühjahr getroffenen Maßnahmen bewährt, insbesondere die Plexiglaswand und die strikte Maskenvorgabe in Veichts Apotheke: „Wir tragen alle immer Masken, auch im Backoffice.“ Auch deshalb, so schätzt er, hatte er noch keinen Infektionsfall, obwohl das Virus in seiner Region grassiert. „So ziemlich jeder, der hier lebt, ist mindestens Kontaktperson dritten Grades“, sagt er. „Wirklich jeder hat Leute in der Familie oder im Bekanntenkreis, die bereits infiziert waren.“ Dabei habe es jetzt in der zweiten Welle seinen Ort Massing gar nicht so hart getroffen wie in der ersten. Diesmal sei es eher das andere Ende des flächenmäßig sehr großen Landkreises.

Was sich hingegen nicht so gut bewährt habe, sei das Zweischichtsystem. „Wir haben das schon nach drei oder vier Wochen wieder sein lassen“, sagt Veicht. „Es kam einfach bei der Übergabe zu oft zu unglücklichen Missverständnissen, die dann das Arbeitsklima belastet haben.“ Seine Lösung war deshalb die komplette Maskenpflicht und ein striktes Lüftungsregime: „Wir haben einen Wecker in der Offizin, der einmal die Stunde klingelt, dann lüften wir komplett durch. Das ist aber jetzt schon teilweise sehr unangenehm, ich weiß nicht, wie das im Winter wird.“

Dass nun wieder harte Kontaktbeschränkungen herrschen, merkt Veicht zumindest geringfügig auch am Kundenaufkommen. „Es ist schon etwas ruhiger geworden, man merkt eine allgemeine Zurückhaltung“, sagt er. Auch in der Stimmung schlägt sich das nieder. „Es war diesmal kein Schock wie im Frühjahr, aber dafür merkt man jetzt, dass die Leute entnervt sind. Es ist so eine depressive Stimmung – auch, weil die Menschen wissen, dass uns wieder harte Wochen bevorstehen. Da kann ich auch verstehen, dass die Nerven dünner werden.“

Und als würde all das nicht reichen, müssen sich Veicht und seine Kunden noch mit den anderen Ärgernissen herumschlagen, die die Apotheker auch im Rest von Deutschland plagen: „Viele Kunden können es nicht fassen, dass der Gesundheitsminister alle auffordert, sich wegen der Pandemie gegen Grippe impfen zu lassen – und dann keine Grippeimpfstoffe zu bekommen sind. Die haben dafür absolut kein Verständnis.“

Diese Mischung aus Frustration und Wut über Anspruch und Wirklichkeit in der Gesundheitspolitik könne auch viel kaputtmachen, sagt Veicht. „Der Unmut wächst. Es gibt immer mehr Menschen, die gar nicht mehr mitmachen wollen.“ Dabei seien die Folgen vor allem für andere Branchen hart. Veicht macht sich weniger Sorgen um sich selbst als um diejenigen, die jetzt total schließen müssen. „Ich habe mich gerade erst wieder mit einem Wirt unterhalten, der war gerade im September das erste Mal wieder aus den Verlusten rausgekommen. Jetzt musste er direkt wieder zumachen. Meine große Befürchtung ist, dass in den kommenden Monaten viele Geschäfte und Wirtshäuser aufgeben müssen.“

 

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