Seit 37 Jahren ist Jörg Wieczorek im Markt aktiv, aber noch nie sei die Stimmung so schlecht gewesen wie jetzt, sagte der Vorsitzende von Pharma Deutschland bei der Eröffnung der Expopharm. Das betreffe nicht nur die Hersteller und Apotheken, sondern das gesamte Gesundheitswesen. „Da frage ich mich schon, wer hier der politische Geisterfahrer ist.“ Auch die anderen Verbände stellten sich klar an die Seite der Apotheken.
„Eine Umverteilung klappt nicht mehr“, so Wieczorek. Die Zeiten von Auto- und Elektroindustrie seien vorbei, der Gesundheitswirtschaft gehöre die Zukunft. „Daher muss mehr Geld ins System.“ Ein Beispiel für die negativen Folgen seien die Lieferengpässe. „Seien Sie versichert, wir wollen Ware liefern. Nur dann verdienen wir ja Geld. Aber wieso sollen wir Verträge schließen, wenn wir dann auch noch sechs Monate zusätzliche Lagerhaltung betreiben müssen?“ Das Problem werde in kommenden Monaten noch viel mehr zunehmen, mahnte Wieczorek.
Was das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) angehe: „Ich weiß gar nicht, wofür das R steht: Reduzierung oder Reorganisierung? Eine Apotheke ohne Apotheker können wir als Pharmaindustrie uns nicht vorstellen und wollen es uns auch nicht vorstellen.“ Das R müsse für Respekt stehen, so wie der Kanzler es bei seinem Amtsantritt für die Gesellschaft vorgeben habe.
Man brauche keine Light-Apotheken und auch keine Kioske, stattdessen müssten die Gesundheitsberufe gestärkt werden. Er sei für mehr pharmazeutische Dienstleistungen und Impfungen und sehe weitere Tätigkeitsfelder für die Apotheken. „Wir sehen ein Riesenpotenzial“, so Wieczorek. Ein Beispiel seien OTC-Switches, gerade habe man eine Liste mit 13 Wirkstoffen erarbeitet. „Das stärkt die Apotheke mit beratungsintensiven Produkten und damit auch die Apothekenpflicht.“
Auch das E-Rezept sei eine Riesenchance für Apotheken, dazu müsse man enger zusammenarbeiten. „Wir müssen die Apotheken weiterentwickeln und nicht abwickeln, so wie es der Gesundheitsminister plant. Die Pharmaindustrie steht unerschütterlich an der Seite der inhabergefühten Apotheke, zu 100 Prozent.“
Arzneimittel seien in den Apotheken in sehr sehr guten Händen – und dass solle auch in Zukunft so bleiben, so Oliver Kirst, Vorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Apotheker:innen seien essenziell für die Sicherstellung der bestmöglichen Versorgung, denn die Arzneimittelversorgung erfordere eine kompetente Verantwortung durch qualifizierte Fachkräfte.
„Wir sehen es als unsere Aufgabe, die Apotheken vor Ort aktiv zu unterstützen. Die Vorstellung einer Apotheke light ist absolut inakzeptabel, ist absurd“, so Kirst. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Arzneimittelversorgung durch solche Pläne gefährdet wird.“
Zentrales Ziel sei angeblich der Erhalt der flächendeckenden Versorgung, aber die Pläne ebneten den Weg für Fremdbesitz von Arzneimittelabgabestellen – der Begriff „Apotheke“ werde seines wesentlichen Kerns beraubt, die Apothekenpflicht abgeschafft und Weg für Ketten geebnet.
„Die Apotheke light wird zur Arzneimittelversorgung light. Das können wir nicht verantworten.“ Überregulierung und Sparzwang hätten das Gesundheitssystem in eine Sackgasse geführt. Reförmchen statt Reformen seien ein falscher Schritt. Es brauche eine gemeinsame Anstrengung von innen, bei der alle an einem Strang ziehen. „Ein Schulterschluss ist die beste Lösung.“
Han Steutel, Präsident des Verbands der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa), machte den Apotheken ein wenig Hoffnung: Dass die Apothekenreform komme, sei alles andere als ausgemacht. Stattdessen habe er aber gehört, dass per Änderungsantrag zum Gesundheitsversorgungs-Stärkungsgesetz (GVSG) alle Totimpfstoffe für Apotheken freigegeben werden könnten. Das wäre ein guter Schritt, um die sinkenden Impfquoten wieder zu steigern.
Er verwies darauf, dass auch die Hersteller mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz empfindlich getroffen wurden. Mittlerweile sehen zumindest die forschenden Hersteller wieder Licht, denn das Medizinforschungsgesetz hat sie gestärkt. Auch die Apotheken sollten die Hoffnung nicht verlieren. „Ich bin sicher, dass es auch bei Ihnen besser wird.“
Apotheken bedeuteten Stabilität für die Menschen, seien mehr als Orte der Arzneimittelausgabe, nämlich ein sozialer Treffpunkt. „Das beste Arzneimittel, der wirksamste Wirkstoff, ist nur so gut wie seine Anwendung. Sie als Apotheken spielen dabei eine unverzichtbare Rolle für Millionen Menschen.“
Der enge regulatorische Rahmen schränke die Berufsausübung ein; davon müssten die Apotheken ein Stückweit befreit werden. „Lassen Sie uns gemeinsam mutig und kreativ sein.“
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