Patentgeschützte Arzneimittel

AOK-Studie: Hochpreiser werden zum Problem

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Berlin -

Die Nettoausgaben für Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind im Jahr 2023 auf einen neuen Höchststand von 54 Milliarden Euro gestiegen. Damit liegen sie 74 Prozent höher als vor zehn Jahren, während das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands hat im selben Zeitraum um 40,2 Prozent zugenommen hat. Laut einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) liegt das vor allem an den patentgeschützten Arzneimitteln. Auch die Zwangsabschläge wurden aufgelistet.

Auf Originalpräparate entfällt demnach mehr als die Hälfte der Ausgaben, gleichzeitig decken sie aber einen immer geringeren Versorgungsanteil ab: Nach verordneten Tagesdosen (DDD) lag dieser zuletzt bei 6,7 Prozent; 2014 waren es noch 11,4 Prozent. Das entspricht einem Rückgang von über 40 Prozent in den letzten zehn Jahren.

„Der anhaltende Trend, dass die Preise für patentgeschützte Arzneimittel kontinuierlich steigen, während ihr Anteil an der tatsächlichen Versorgung weiter abnimmt, hat sich auch im vergangenen Jahr erneut bestätigt“, betont WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder. „Obwohl die letzten gesetzlichen Anpassungen durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz eigentlich eine dämpfende Wirkung entfalten sollten, haben sie den starken Anstieg der Markteintrittspreise nicht wirksam bremsen können. Dies zeigt deutlich, dass der bestehende regulatorische Rahmen dringend weiterentwickelt werden muss, um eine bezahlbare und nachhaltige Arzneimittelversorgung in der GKV zu sichern.“

Trend setzt sich fort

Die Anzahl der Verordnungen wuchs im gleichen Zeitraum von 651,5 auf 737,3 Millionen pro Jahr. „Dieser Trend ist ungebrochen und kann weder durch den knapp 6-prozentigen Anstieg der GKV-Versichertenzahl noch durch die Zunahme der Verordnungsmenge um 13 Prozent erklärt werden“, so Schröder. Die Ursache liegt laut Einschätzung des WIdO vor allem in den gestiegenen Packungspreisen. So betrug im Jahr 2023 der durchschnittliche Preis je verordneter Arzneimittelpackung 73,18 Euro. Im Jahr 2014 waren es 47,60 Euro. Dies entspricht einer Steigerungsrate von 54 Prozent in den letzten zehn Jahren.

Originale als Kostentreiber

Kostentreiber sind laut WidO weiterhin vor allem die patentgeschützten Arzneimittel, für die im Jahr 2023 mehr als jeder zweite Euro der Arzneimittelkosten (53 Prozent) ausgegeben wurde. So kostete 2014 eine Packung eines patentgeschützten Arzneimittels im Durchschnitt 190,06 Euro; 2023 lagen die Kosten mit 587,72 Euro mehr als dreimal so hoch.

Die Steigerung bei den durchschnittlichen Packungspreisen für Arzneimittel, deren Patentschutz abgelaufen ist und die damit auch als Generika verfügbar sind, lag in den letzten zehn Jahren bei 31 Prozent. Im generikafähigen Marktsegment kostete eine Arzneimittelpackung 2023 durchschnittlich 34,85 Euro (2014: 26,60 Euro).

Patentgeschützte Arzneimittel haben damit 2023 im Schnitt knapp 17-mal so viel gekostet wie Arzneimittel im generikafähigen Markt – 2014 betrug der durchschnittliche Preis „nur“ das Siebenfache.

Problem: Hochpreiser

Die Kosten- und Marktdynamik bei den hochpreisigen Arzneimitteln zeigt sich noch an anderen Kennzahlen: Unter den mehr als 63.000 verschiedenen Arzneimitteln, die im Jahr 2023 für die Versorgung von GKV-Versicherten eingesetzt wurden, befinden sich Medikamente, die einen Apothekenverkaufspreis von mindestens 1000 Euro haben. Diese Hochpreiser nehmen laut WIdO-Analyse immer größere Umsatzanteile ein. Die Folge ist, dass zunehmend mehr Geld für die Versorgung von wenigen Patientinnen und Patienten aufgewendet wird.

Während 2014 nur etwas mehr als jeder vierte Euro (27,6 Prozent) des Gesamtumsatzes auf Arzneimittel mit Preisen von 1000 Euro oder mehr entfiel, war es 2023 knapp jeder zweite Euro (47,6 Prozent). Damit haben sich die Umsätze der Hochpreiser in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Zugleich erreichten diese Arzneimittel aber nur einen Anteil von 1,5 Prozent an den 692 Millionen Verordnungen verschreibungspflichtiger Medikamente im Jahr 2023. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den noch teureren Medikamenten mit Packungspreisen jenseits von 5000 Euro und mehr.

„Im laufenden Jahr 2024 nimmt der Ausgabenanstieg noch an Fahrt auf: Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sollte den Kostendruck lindern, doch der erwartete Effekt blieb aus. Die Ausgaben stiegen im ersten Halbjahr 2024, auch bedingt durch die Rückführung eines verringerten Herstellerabschlags, um über 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht“, betont Helmut Schröder.

Es sei höchste Zeit, dass die Politik entschiedene Maßnahmen ergreift, um die Preisgestaltung bei Markteinführungen stärker zu regulieren statt wie im Falle der Geheimpreise den Wünschen der pharmazeutischen Industrie zu folgen. „Ohne konsequentere Regulierungen riskieren wir, dass lebenswichtige Innovationen zwar entwickelt, aber unerschwinglich werden. Die Bezahlbarkeit neuer Arzneimittel stößt an Grenzen – das Solidarsystem der gesetzlichen Krankenversicherung darf nicht überfordert werden.“

Hausärzte liegen vorn

Die meisten Arzneiverordnungen wurden 2023 mit 25 Milliarden DDD von Hausärztinnen und Hausärzten veranlasst, gefolgt von den hausärztlich tätigen Internistinnen und Internisten mit 12,8 Milliarden DDD. Die höchsten durchschnittlichen Nettokosten je Arzt waren mit 5,1 Millionen Euro bei den Verordnungen durch Fachärztinnen und -ärzte für Hämatologie/Onkologie zu verzeichnen.

Je Versichertem wurden 651 DDD verordnet. Den niedrigsten Arzneimittelverbrauch wiesen die 25- bis 29-Jährigen mit durchschnittlich 114 DDD je Versichertem auf. Die meisten Verordnungen erhielt die Gruppe der 80- bis 84-Jährigen mit durchschnittlich 1909 DDD. Auch zwischen den Geschlechtern gibt es Unterschiede: Frauen erhielten mit durchschnittlich 693 DDD rund 15 Prozent mehr Verordnungen als Männer mit 603 DDD.

Kassenabschlag gestiegen

Auch der Kassenabschlag der Apotheken wird ausgewiesen: Mit 1,366 Milliarden Euro liegt er 14 Prozent über Vorjahr (1,199 Milliarden Euro) und deutlich über dem Niveau von 2014, als er noch mit knapp 1,1 Milliarden Euro beziffert wurde. Der Herstellerabschlag hat sich im gleichen Zeitraum von rund 1,5 auf knapp 3,5 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Allerdings schwanken die Zwangsrabatte aufgrund gesetzlicher Sonderregelungen mitunter stark.

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