Rabattverträge

Wie sich die AOK um ihren Rabatt brachte

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Berlin -

An den Metformin-Rabattvertrag mit Dexcel denkt man bei der AOK sicher nicht gerne zurück: Nachdem die Verträge der 6. Tranche im Juni 2011 gestartet waren, monierte die Kasse frühzeitig Lieferengpässe, die der Hersteller in diesem Umfang bestritt. Im März 2012 kündigte die AOK zum Monatsende, außerdem forderte die Kasse Vertragsstrafen. Im August trennte man sich endgültig mit einem Vergleich. Doch offenbar ist der AOK dabei ein folgenschwerer Fehler unterlaufen: Das Sozialgericht Würzburg hat entschieden, dass die Kasse mit der Einigung ihren Anspruch auf Rabatte in Höhe von 3,7 Millionen Euro verwirkt hat.

Dexcel hatte im Februar 2011 die Zuschläge für Amlodipin, Losartan + HTC und eben Metformin in allen sieben Losgebieten gewonnen. Die Verträge starteten im Juni. Im Februar 2012 informierte die Kasse darüber, dass zahlreiche Apotheken zwischen September und Dezember über erhebliche Lieferdefekte bei Metformin geklagt hätten. Einen Monat später forderte die Kasse rund 540.000 Euro Vertragsstrafe von Dexcel. Schließlich wurde der Vertrag seitens der AOK zum 31. März außerordentlich gekündigt.

Dexcel unterbreitete der Kasse im Mai einen ersten Vergleichsvorschlag. Der Hersteller wollte 2 Millionen Euro Schadenersatz zahlen, wenn beide Seiten auf alle Ansprüche aus den Verträgen verzichteten. Die Verhandlungen mit der Kasse zogen sich bis in den August. Da Dexcel damit drohte, eine neue Ausschreibung zu Metformin rechtlich anzugreifen, einigte man sich schließlich am 6. August in einem Vergleich. Darin waren der Abschluss und die Kündigung des Rabattvertrags ebenso geklärt wie Vertragsstrafen und Schadensersatzansprüche. Beide Seiten verzichteten demnach endgültig und abschließend auf alle gegenseitigen Forderungen.

Diese letzte Formulierung hat Kasse und Hersteller doch noch vor Gericht gebracht. Die AOK verlangte für fünf Monate noch Rabattzahlungen aus dem Metformin-Vertrag in Höhe von insgesamt zunächst 3,9, später 3,7 Millionen Euro. Dexcel wies dies mit Verweis auf den geschlossenen Vergleich zurück. Die Kasse zog daraufhin vor das Sozialgericht – und verlor. Aus Sicht der Würzburger Richter hat die Kasse keinen Anspruch mehr auf die Rabatte. Die Forderungen seien mit dem Vergleich erloschen, heißt es in der Begründung des Urteils vom 18. November.

Dexcel zufolge war schon die Kündigung ungerechtfertigt, da nur begrenzt Lieferengpässe bestanden hätten. Diese seien zudem durch eine Änderung der Packungsgröße N3 entstanden. Die AOK hielt dagegen, die Ausfälle seien hausgemacht: Dexcel habe mit mehr als 100 Krankenkassen Rabattverträge über Metformin geschlossen, der Hersteller habe sich schlicht übernommen.

Die AOK beharrte vor Gericht auf die Zahlungen: Die Rabatte seien von dem Vergleich nicht umfasst. Schließlich seien diese vorab nicht umstritten gewesen. Das überzeugte die Richter nicht: Dexcel habe keine Rabatte für Metformin gezahlt, für Amlodipin und Losartan dagegen schon. Aus Sicht des Herstellers seien die Rabattzahlungen zudem sehr wohl von der Vergleichsvereinbarung betroffen. Daher könne von einem übereinstimmenden Willen jenseits des Vertragstextes keine Rede sein – und damit sei eben dieser allein ausschlaggebend.

Alle Vergleichsentwürfe zeigten, dass beide Seiten „einen Schlussstrich“ ziehen wollten, so das Sozialgericht; „die Beteiligten wollten ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende“. Die Formulierungen „endgültig“, „abschließend“ sowie „sämtliche Ansprüche und/oder weitere Rechte“ und „gleich aus welchem Rechtsgrund“ zeigten, dass Kasse und Hersteller den „desaströsen“ Rabattvertag endgültig beenden wollten. „Damit hat die Rabattforderung das gleiche Schicksal genommen wie die Metformin-Rabattverträge. Diese waren beendet und damit auch die Rabattforderung erledigt“, so das Sozialgericht.

Eine einschränkende Auslegung erschien den Richtern nicht geboten. Immerhin waren mit der Lieferfähigkeit und der Exklusivität wesentliche Hauptpflichten des Rabattvertrags von dem geschlossenen Vergleich berührt. „Von daher lag es nicht außerhalb des Erwartungshorizonts, dass mit einer abschließenden Streitbeilegung auch die gegenseitigen Hauptpflichten berührt werden“, heißt es in der Urteilsbegründung.

Die Richter glauben auch nicht an ein Versehen. Die AOK – vertreten durch ihren Bundesverband – rühme sich damit, ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland zu betreuen, Dexcel sei nach eigenen Angaben Nummer 11 im Generikamarkt, beide hätten sich „profilierter Kanzleien bedient“. Es sei daher nicht erkennbar, dass der Vergleich über den eindeutigen Wortlaut hinaus eine andere Bedeutung haben sollte. „Somit ist die Rabattforderung durch die Vergleichsvereinbarung erloschen“, so das Sozialgericht.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Sollte in letzter Instanz auch das Bundessozialgericht (BSG) entscheiden, dass die Kasse ihren Rabatt verspielt hat, dann hätte die AOK ihren Ausstieg aus dem Vertrag teuer bezahlt.

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