Sterilrezepturen

AOK: Zyto-Ausschreibung in fünf Ländern

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Berlin -

Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zur Zyto-Ausschreibung der AOK Hessen schaffen die Kassen neue Fakten: Der AOK-Bundesverband hat für drei Kassen die Zytostatikaversorgung in fünf Bundesländern ausgeschrieben – Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein. Im Juli sollen die Verträge starten.

Die Ausschreibung umfasst alle „in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten“. Die Begrifflichkeiten legen die Kassen weit aus: Unter den Begriff Zytostatika fallen demnach auch monoklonale Antikörper. Zubereitungen aus Herstellbetrieben gelten als „in der Apotheke hergestellt“.

Die fünf Regionen der AOKen Hessen, Nordost und Rheinland/Hamburg wurden für die Ausschreibung in insgesamt 79 Gebietslose unterteilt: fünf in Hamburg, zwölf in Mecklenburg-Vorpommern, 13 in Brandenburg, 23 in Hessen – fast so viele wie bei der ersten Ausschreibung – und 26 im Rheinland. Apotheken dürfen sich auf beliebig viele Losgebiete bewerben, sollen aber pro Region maximal vier Zuschläge erhalten. Die bestehenden Verträge in Berlin sind von der aktuellen Ausschreibung nicht betroffen.

Die Erteilung eines Zuschlags verpflichtet die Apotheke zur Belieferung aller Leistungserbringer, die in einem Gebietslos AOK-Versicherte mit parenteralen Zubereitungen ambulant ärztlich behandeln. Kompliziert wird es mitunter bei Zweigpraxen von Ärzten oder Medizinischen Versorgungszentren (MVZ): Diese werden dem Losgebiet zugeordnet, in dem sie selbst liegen – auch dann, wenn der Vertragsarztsitz oder die Hauptbetriebsstätte des MVZ in einem anderen Losgebiet liegt. Ein Arzt wird somit womöglich von mehreren Apotheken versorgt.

Ausgenommen von der Ausschreibung ist die ambulante Behandlung in Kliniken, die mit den Kassen eine Vereinbarung über die Belieferung aus einer Krankenhausapotheke getroffen haben. Haben die Krankenhausträger noch keinen solchen Vertrag geschlossen, sollen auch sie im Rahmen der ambulanten Behandlung von den Ausschreibungsgewinnern beliefert werden – zumindest im Einzugsbereich der AOKen Nordost und Hessen.

In Hamburg und im Rheinland ist die ambulante Behandlung im Krankenhaus hingegen nicht Bestandteil der geplanten Verträge. Das gilt nicht nur für Krankenhausapotheken mit dem entsprechenden Vertrag, sondern auch für die Belieferung durch öffentliche Apotheken.

Apotheken können noch bis Ende April ihr Gebot einreichen. Die neuen Verträge sollen im Juli beginnen und zunächst ein Jahr laufen. Sie können anschließend zweimal um sechs Monate oder sofort um ein Jahr verlängert werden. Zuschlagskriterium ist der niedrigste Preis.

Rabattverträge über Zytostatika-Zubereitungen sind umstritten. In Berlin laufen die Ausschreibungen seit 2010, mittlerweile weitgehend reibungslos. Im vergangenen Juni hat die AOK Nordost bereits zum vierten Mal die Versorgung ausgeschrieben. In Nordrhein-Westfalen hingegen war die Barmer 2012 mit einer Zyto-Ausschreibung gescheitert – wegen mangelnder Akzeptanz bei den Ärzten sei die Umsteuerung der Patienten nicht gelungen, hieß es.

Allerdings hatte Barmer-Chef Dr. Christoph Straub im vergangenen Jahr eine neue Ausschreibung nicht ausgeschlossen. Aus seiner Sicht spricht nichts dagegen, bei entsprechender Logistik Rezepturen auch überregional herzustellen. Voraussetzung müsse aber sein, dass Patienten keinen Behandlungsverzug durch die Belieferungszeit erleiden.

Die AOK Hessen hatte 2013 erstmals die Versorgung mit parenteralen Zytostatika-Zubereitungen aus Apotheken ausgeschrieben und exklusive Verträge mit zwölf Apotheken abgeschlossen. Allerdings belieferten auch Apotheker ohne Vertrag weiterhin Arztpraxen, etwa Rainer Schüler, Inhaber der Fliederberg-Apotheke in Darmstadt. Er verwies auf den Kontrahierungszwang und eine schriftliche Bestätigung der Patienten, weiterhin durch ihn versorgt werden zu wollen. Die AOK retaxierte dennoch, allein im Dezember 2013 mehr als 70.000 Euro.

Der Streit ging vor Gericht: Vom Sozialgericht Darmstadt (SG) hatte Schüler Ende August 2014 noch recht bekommen. Aus Sicht der Richter hatten die Ärzte gute Gründe, die Apotheke zu empfehlen. Doch vor dem BSG setzte sich im November die AOK durch. Laut der Urteilsbegründung haben Versicherte in der Krebsversorgung – vergleichbar mit einem stationären Krankenhausaufenthalt – gar kein Recht auf freie Apothekenwahl. Der Arzt bestelle die Sterilrezepturen schließlich direkt bei einer Apotheke. Weil der Gesetzgeber Verträge in diesem Bereich explizit zugelassen habe, durfte die Kasse diese laut Gericht auch mit Nachdruck durchsetzen.

Nach der Entscheidung begann die Kassen damit, insgesamt 15 Millionen Euro bei den betroffenen Apothekern einzuziehen – in Raten. Einige Apotheker hatten mit der AOK sogar schon vor der Gerichtsverhandlung im November einen Deal geschlossen, mit dem sich beide Seiten abgesichert hatten. Die Apotheker bekommen nicht den vollen Betrag abgezogen, die AOK hätte im Fall einer Niederlage vor dem BSG einen Abschlag auf die zu erstattenden Rezepturen erhalten. Über die Höhe der jeweiligen Abschläge wurde Stillschweigen vereinbart.

Doch der Streit ist noch nicht ausgetragen: Ende Februar kündigte Schüler an, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Seine Verfassungsbeschwerde soll der Verfassungsrechtler Professor Dr. Thorsten Kingreen von der Universität Regensburg führen.

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