AOK: Keine Hinweise auf Versorgungsengpässe Lilith Teusch, 21.10.2024 12:58 Uhr
Eine aktuelle Untersuchung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hat ergeben, dass es derzeit keine Hinweise auf drohende Lieferengpässe oder Lieferschwierigkeiten bei Arzneimitteln gibt. Demnach waren Anfang Oktober 98,8 Prozent aller Arzneimittel verfügbar. Insbesondere die Rabattverträge würden zu einer hohen Versorgungssicherheit beitragen, so die Schlussfolgerung des WIdO.
Von den insgesamt mehr als 63.000 verschiedenen Arzneimitteln, die im Jahr 2023 auf dem Markt erhältlich waren und zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet wurden, waren nach der aktuellen Auswertung derzeit lediglich 735 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als nicht lieferfähig gemeldet. Anfang Oktober waren demnach 98,8 Prozent aller Medikamente verfügbar.
Außer bei der Verfügbarkeitsquote könne auch Entwarnung hinsichtlich der Therapiemöglichkeiten gegeben werden: 99,9 Prozent der im Jahr 2023 verordneten Arzneimittel seien derzeit verfügbar oder können im Falle der aktuell als lieferunfähig gelisteten Arzneimittel durch identische Alternativprodukte oder Arzneimittel anderer Hersteller, die hinsichtlich Reichweite und Darreichungsform ähnlich seien, ersetzt werden.
„Lieferengpässe sind keine Versorgungsengpässe. Im Fall von temporären Lieferschwierigkeiten stehen in der Regel in der ambulanten Versorgung genügend Alternativen anderer Hersteller zur Verfügung“, erklärt WidO-Geschäftsführer Helmut Schröder. Konkrete Einzelfälle, in denen die pharmazeutischen Hersteller ihren Lieferverpflichtungen nicht nachkommen, dürften nicht als Regelfall betrachtet werden.
Rabattverträge sichern die Versorgung
„Insbesondere Arzneimittelrabattverträge tragen zu einer hohen Versorgungssicherheit bei und senken die Arzneimittelkosten“, so die Einschätzung Schröders. Für diejenigen der aktuell als lieferunfähig gelisteten Arzneimittel, für die es 2023 einen Arzneimittelrabattvertrag mit einer AOK gab, werde laut WIdO sogar eine Versorgungssicherheit von 100 Prozent erreicht.
Die Krankenkassen nutzen die seit 2007 vom Gesetzgeber geschaffene Möglichkeit, Rabattverträge für generische Wirkstoffe auszuhandeln. Im Jahr 2023 seien von insgesamt 2.493 ambulant verordneten Wirkstoffen und Wirkstoffkombinationen 781 bei mindestens einer Krankenkasse rabattiert. Für die Apotheken in Deutschland bedeute dies, dass sie nicht mehr zwingend alle verfügbaren Arzneimittelpackungen vorrätig halten müssten, da Substitutionsmöglichkeiten bestünden.
Neben den positiven Effekten für die Versorgungssicherheit hätten die Rabattverträge auch zu einer Senkung der Arzneimittelausgaben geführt. „Im Jahr 2023 konnten die Arzneimittelausgaben durch Rabattverträge GKV-weit um 5,83 Milliarden Euro gesenkt werden. So tragen die Rabattverträge entscheidend zu einer wirtschaftlichen und qualitativ hochwertigen Versorgung der Patientinnen und Patienten bei“, rechnet Schröder vor.
Mehr Transparenz
Grundlage der WIdO-Analyse sind die beim BfArM angezeigten Lieferunfähigkeiten, die von Pharmaherstellern freiwillig gemeldet werden. Um Versorgungsengpässe empirisch besser überprüfen zu können, fordert das Institut eine verpflichtende Meldung von Lieferengpässen – vom Hersteller über den Großhandel bis zur Apotheke. „Es ist nicht einzusehen, dass wir heute den Weg unserer Paketsendungen online mitverfolgen können, dies aber bei der ungleich wichtigeren Arzneimittelversorgung in Deutschland nicht schaffen“, kritisiert Schröder.
Transparenz bedeute in diesem Fall die verpflichtende Auskunft darüber, welche Arzneimittel von welchen Herstellern im deutschen Arzneimittelmarkt erwartet werden, welche Arzneimittel wann geliefert werden und welche Mengen vorrätig seien. Gleichzeitig müssten Großhändler und Apotheken die von ihnen vorgehaltenen Arzneimittel transparent machen, damit flexibel auf regionale Lieferengpässe reagiert werden könne.
Hierzu müsste der Gesetzgeber eine verpflichtende Dokumentation der Lieferunfähigkeiten auf den verschiedenen Stufen beauftragen, fordert Schröder. So enthielten die AOK-Rabattverträge schon seit Jahren die Vorgabe, dass die Vertragspartner die AOK über nicht lieferbare Vertragsprodukte verpflichtend informieren müssen.
Um die Liefersicherheit weiter zu erhöhen, müssten die Vertragspartner außerdem einen ausreichenden Arzneimittelbestand vorhalten. „Hilfreich sind dafür exklusive Verträge, da Pharmafirmen ihre Absatzmengen so besser kalkulieren können, als wenn sie im Rahmen von Mehrpartnerverträgen mit mehreren Anbietern konkurrieren müssen“, erklärt Schröder.
Pharmaunternehmen seien meist global agierende, börsennotierte Unternehmen. Der deutsche Markt hingegen habe nur einen Anteil von rund 4 Prozent am weltweiten Arzneimittelumsatz. Daher spiele die Versorgung in Deutschland laut Schröder nur eine geringe Rolle am globalen Markt.