Kommentar

Die Kassen-Lobby spielt mit Benjamin Rohrer, 15.02.2013 11:47 Uhr

Berlin - 

Immer wieder beschweren sich die Kassenverbände über die aus ihrer Sicht gierigen Lobbyisten im Gesundheitswesen. AOK-Chef Jürgen Graalmann meint sogar, ein ausgeklügeltes Jahreszeiten-Schema hinter den Forderungen der Apotheker, Ärzte und Pharmaunternehmen zu erkennen. Dabei vergisst er zu erwähnen, dass die Kassenverbände selbst in der Schlange der Bittsteller stehen. Dass sich sowohl die Leistungserbringer als auch die Kassen für die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder einsetzen, ist völlig normal.

Nach mehrjährigen Spargesetzen, daraus resultierenden Verlusten für die Leistungserbringer und 30 Milliarden Euro Rücklagen kann man keinem die Frage nach einer Honoraranpassung übel nehmen. Insbesondere den Apothekern bleibt nichts anderes übrig: Während die Ärzte einen Großteil ihres Honorars direkt mit den Kassen aushandeln, hängt die Höhe des Fixhonorars ausschließlich vom Willen der Politik ab.

Dass Friedemann Schmidt, Fritz Becker & Co. die Spitzenpolitiker der Koalition auf Veranstaltungen belagern, ist daher verständlich: Bei einem Rx-Anteil von 80 Prozent ist dies die einzige Chance, sich für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Apotheken einzusetzen.

Aber auch die Kassen beteiligen sich an dem „immer gleichen Spiel“, über das sich Graalmann beschwert. Jüngstes Beispiel sind die Erstattungspreise: Der GKV-Spitzenverband gibt offen zu, sich bei der Politik dafür einzusetzen, dass die Margen der Apotheker und Großhändler klein gerechnet werden.

Für ihr Lobbying benötigen die Kassen jedoch keine teuren Veranstaltungen, müssen nicht Monate lang um Termine bitten oder hunderte Briefe schreiben. Die Mitarbeiter einiger Kassenverbände haben im BMG schlichtweg ein eigenes Büro.

Bei den Kassen stellt sich zudem die Frage, welche Interessen sie wirklich vertreten: Das Argument, die Überschüsse würden fürs Patientenwohl benötigt, ist edel und immer richtig. Nur: Merken die rund 70 Millionen GKV-Patienten überhaupt, dass es ihren Kassen gut geht?