Kommentar

AOK gibt Entwarnung: Nur 735 Packungen nicht lieferbar

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Berlin -

Die Apothekerschaft klagt seit Jahren über die Probleme, die durch Lieferengpässe entstehen und teils zu ethischen Konflikten führen. Die Politik will das Problem zwar erkannt haben und beschäftigt sich damit, gibt jedoch zu, dass es sich nicht einfach lösen lässt. Zum Glück gibt das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) jetzt Entwarnung: Nur ein kleiner Bruchteil, weniger als 2 Prozent der Arzneimittelpackungen, sei nicht lieferbar. Allerdings scheint das Institut zu übersehen, dass selbst 1 Prozent bei über 63.000 Packungen ein ganz schöner Batzen Medikamente darstellt – und dass hinter jeder verschriebenen Packung ein Patient steht. Ein Kommentar von Lilith Teusch.

Eigentlich ein Dauerthema: Lieferengpässe – doch die AOK sieht keinen Grund zur Sorge. Laut einer Analyse des WIdO gibt es keinen akuten Grund zur Panik, wenn es um die Engpassproblematik geht, denn: Angeblich seien nur knapp über 1 Prozent der im letzten Jahr verordneten Arzneimittelpackungen nicht lieferbar.

Von den insgesamt 63.522 verschiedenen Arzneimittelpackungen, die im Vorjahr verordnet wurden, seien 98,84 Prozent lieferfähig, heißt es in der AOK-Analyse. Klingt beruhigend, oder? Dennoch gibt es 735 Packungen, die derzeit nicht lieferbar sind. Aber auch hier, so die AOK, bestehe kein Grund zur Sorge, da wirkstoffgleiche Alternativen verfügbar seien. Damit wären angeblich sogar 99,82 Prozent der verordneten Packungen „gedeckt“.

Es gibt ja „Alternativen“

Die AOK beziffert 113 Arzneimittelpackungen, für die keine „ähnliche alternative Arzneimittelpackung“ existiert. Doch was versteht die Krankenkasse unter einer ähnlichen Alternative? Laut AOK sind dies Arzneimittel mit identischem ATC-Code (Anatomisch-Therapeutisch-Chemischer Code), identischer Darreichungsform und ähnlicher Reichweite von +/- 10 Prozent der in einer Packung enthaltenen Tagesdosen. Doch auch wenn der ATC-Code Arzneimittel als „gleichwertig“ einstuft, können Wirkstoffe aufgrund unterschiedlicher Neben- und Wechselwirkungsprofile sowie Verträglichkeiten nicht einfach ausgetauscht werden. Ganz außen vor lässt das WIdO das Thema Adhärenz, das eine zentrale Rolle spielt.

Hinter jeder Packung steht ein Patient

Unabhängig davon, wie viele Packungen am Ende nicht ausgeliefert werden können, steht hinter jeder dieser Packungen ein Mensch, der entweder gar nicht, zu spät oder nicht optimal versorgt wird. Und wer muss das dem Patienten erklären? Nicht die Krankenkasse, sondern die Teams in den Apotheken. Dieses muss aufwendig nach Alternativen suchen, mit Ärzten Rücksprache halten – und das für eine Engpasspauschale von nur 50 Cent. Der tatsächliche Leidtragende ist nicht die Statistik, sondern der Mensch vor Ort.

Problempotential Rabattverträge

Zum Thema Rabattverträge: Es stimmt vielleicht, dass diese nicht alleinige Ursache für Lieferengpässe sind, aber sie können durchaus dazu beitragen. Sie beeinflussen, welche und wie viele Unternehmen bestimmte Arzneimittel herstellen und auf Lager haben. So hat Pro Generika festgestellt, dass Rabattverträge mit einem einzigen Hersteller häufiger zu versorgungskritischen Situationen führen, als solche, die mit mehreren Unternehmen abgeschlossen werden.

Denn für Unternehmen ohne Versorgungsvertrag wird es schlicht unattraktiver, das gleiche Medikament zu produzieren. So entstehen im Worst Case Monopole – mit all den Risiken für die Versorgungssicherheit. Denn so schnell wird sich kein Unternehmen finden, dass die Lücke füllt, wenn sie nur im Falle eines Ausfalls Abnehmer für die produzierte Ware finden.

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