Kurz nach der Bundestagswahl legt die AOK ein Sofortprogramm zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung vor. Zwar werden Apotheken darin nicht direkt erwähnt, doch der Bundesverband der Kasse schlägt Änderungen bei der Vergütung pharmazeutischer Dienstleistungen (pDL) vor.
„Die neue Regierung darf das nicht einfach so weiterlaufen lassen, sie muss jetzt gleich aktiv werden“, betont die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, mit Blick auf die Gesamtlage der Kassenfinanzen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Sozialen Pflegeversicherung (SPV). Der Handlungsdruck sei inzwischen gewaltig, und es dürfe keine Zeit verloren werden. „Was wir brauchen, ist ein schnell wirksames Maßnahmenpaket, damit GKV und SPV finanziell wieder Boden unter den Füßen bekommen“, so Reimann weiter.
Um dies zu erreichen, müssten noch in diesem Jahr eine Reihe von Effizienzmaßnahmen angestoßen und umgesetzt werden, damit sie im Laufe der Legislaturperiode spürbar Wirkung entfalten können. Laut Berechnungen der AOK könnten die vorgeschlagenen kurzfristigen Maßnahmen Einsparungen von bis zu 35 Milliarden Euro erzielen.
Angesichts knapper Kassen, steigender Beitragssätze und eines GKV-Defizits von über sechs Milliarden Euro zum vierten Quartal 2024 fordert die AOK neben strukturellen Reformen auch höhere Einnahmen. Dazu zählt die Refinanzierung kostendeckender Beitragspauschalen für Bürgergeldbeziehende (10 Milliarden Euro). Im Pflegebereich schlägt sie eine Dynamisierung des Bundeszuschusses, die Rückerstattung von Pandemiekosten und die Übernahme der Ausbildungsumlage vor (9,75 Milliarden Euro).
Den größten Hebel sieht die Kasse bei den Ausgaben im Arzneimittelbereich. So könnten durch die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent Einsparungen von 7 Milliarden Euro erzielt werden. Weitere Maßnahmen umfassen die Anhebung des allgemeinen Herstellerrabatts von 7 auf 16 Prozent (1,8 Milliarden Euro).
Die AOK schlägt zudem vor, die Umlage für pDL über den Festzuschlag zu streichen und stattdessen auf eine Direktabrechnung umzustellen (150 Millionen Euro). „Außerdem fordern wir die Rückführung nicht verausgabter Mittel an den Gesundheitsfonds und Verteilung auf die Krankenkassen: Nacht- und Notdienstfonds für pharmazeutische Dienstleistungen“, heißt es im Sofortprogramm (500 Millionen Euro).
Zusätzliche Einsparungen könnten durch die Rückwirkung des AMNOG-Erstattungspreises ab Marktzugang (100 Millionen Euro) sowie Effizienzmaßnahmen im Hilfsmittelbereich (600 Millionen Euro) erzielt werden.
Als „dringend angezeigt“ stuft die AOK-Gemeinschaft auch eine Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs (RSA) zwischen den Krankenkassen ein. Die Zielgenauigkeit müsse erhöht, die Überdeckung gesunder Versicherter sowie die Unterdeckung vulnerabler Gruppen weiter abgebaut werden. Im stationären Bereich sieht die AOK ein Einsparvolumen von rund 3,5 Milliarden Euro. Dazu könnten die Aufhebung von Prüfquoten bei Krankenhausabrechnungen beziehungsweise eine bundeseinheitliche Prüfquote (1,1 Milliarden Euro), die Beendigung von Doppelfinanzierungen bei Pflegebudgets (500 Millionen Euro) sowie die Begrenzung der vollen Tarifrefinanzierung für Personal (500 Millionen Euro) beitragen.
Für den ambulanten Bereich schlägt die AOK die Rücknahme der Entbudgetierung der hausärztlichen Vergütung (500 Millionen Euro) sowie der kinderärztlichen Honorare (270 Millionen Euro) vor. Außerdem fordert sie die Streichung der Zuschläge für die Terminvermittlung (150 Millionen Euro). „Gerade die Honorargeschenke, die vor der Wahl an die Ärzteschaft gemacht worden sind, schaffen keinerlei Mehrwert für die Versorgung. Niemand wird dadurch besser oder schneller behandelt“, so Reimann.