Warnung vor steigenden Kassenkosten

AOK-Chef: Politik kauft Apotheker APOTHEKE ADHOC, 26.08.2019 08:52 Uhr

AOK-Chef Martin Litsch warnt vor Ausgabensteigerungen in zweistelliger Milliardenhöhe. Foto: Andreas Domma
Berlin - 

AOK-Chef Martin Litsch sieht zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe auf die Krankenkassen zurollen. Mit verantwortlich ist aus seiner Sicht die Honorarerhöhung der Apotheker als Ausgleich für das ausgebliebene Rx-Versandhandelsverbot.

Gegenüber der Rheinischen Post (RP) beklagte Litsch: „Die Preise steigen, aber die Leistungen für die Versicherten verbessern sich bisher nicht.“ Er rechnet mit einem Ausgabenanstieg en in zweistelliger Milliardenhöhe. Als Beispiele für Kostentreiber nannte er die Servicestellen für Termine beim Facharzt und die jüngste Gesetzgebung für Apotheker.

„Bei den Terminservicestellen, die zwischen 2019 und 2022 mehrere Milliarden Euro an zusätzlichen Beitragsmitteln kosten, kann ich bisher keinen echten Nutzen für die Versicherten erkennen“, erklärte Litsch. Sie erzeugten vor allem viel Bürokratie. „In der Hoffnung, dass die Ärzte ihren Widerstand gegen die Regelungen aufgeben, erhalten sie zusätzliche Honorare in Höhe von jährlich 600 Millionen Euro als Beruhigungspille.“

Den gleichen Mechanismus sehe man bei den Apothekern. „Auch sie erhalten zusätzliche Vergütungen, damit sie den Versandhandel tolerieren.“

Der AOK-Chef würde gern wieder mehr Geld durch Einsparungen heben: „Es war ein Fehler, den Krankenkassen die Möglichkeit zu entziehen, in vielen kostenintensiven Bereichen Ausschreibungen zu machen. Wir dürfen keine Impfstoffe mehr, keine Krebsmittel und auch keine Hilfsmittel mehr ausschreiben.“ Es sei absurd, das in einem wettbewerblichen System zu verbieten.

 

Die RP erinnert Litsch daran, dass das Ausschriebungsverbot im Hilfsmittelbereich des Gesetzgebsers auf Lieferengpässe und Qualitätsprobleme war. Der aOK-Chef hält das Verbot dennoch für flacsch. Schließlich hätten die Kassen längst reagiert und die Produktkataloge mit neuen Qualitätskriterien versehen. Doch jetzt seien nur noch Rahmenverträge mit Leistungserbringern möglich. „Das ist viel teurer.“

Litsch mahnte zu einer umsichtigeren Ausgabenpolitik im Gesundheitswesen. „Die zusätzlichen Kosten für die Krankenkassen belaufen sich von 2019 bis 2022 auf rund 29 Milliarden Euro.“ Die höchsten Summen entfielen auf die Kosten für zusätzliches Pflegepersonal und für die Terminservice-Stellen. Die aktuellen Bilanzzahlen zeigten aber, dass die üppigen Zeiten vorbei seien. „Ich kann nur vor weiteren kostenintensiven Gesetzen warnen.“

Wann die Versicherten mit Beitragssteigerungen rechnen müssten, dazu will Litsch sich heute nicht festlegen. Die aktuellen Bilanzzahlen zeigten aber, „dass die üppigen Zeiten vorbei sind“. Sein Appell an die Politik: „Ich kann nur vor weiteren kostenintensiven Gesetzen warnen.“ Angesichts der konjunkturellen Lage werde es immer schwieriger, den weiteren Anstieg der Kosten auszugleichen, sagte er der RP.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stellt der AOK-Chef kein besonders gutes Zwischenzeugnis aus. Zwar sei sehr positiv, dass dieser jedes relevante Thema anpacke. „Damit ist aber noch kein Problem gelöst. An seinen Gesetzen kann ich bisher noch keine nachhaltige Wirkung erkennen“, so Litsch im RP-Interview. Und eine Verlagerung der Verantwortung von der Selbstverwaltung hin zum Ministerium sei falsch. Bei der Frage, welche medizinischen Leistungen Krankenkassen zahlen, müsse sich das System auf neutrale Instanzen und wissenschaftliche Ergebnisse verlassen. „Das sollte kein Minister entscheiden.“