Grüne: Koalition entschärft Anti-Korruptionsgesetz APOTHEKE ADHOC, 10.08.2016 08:07 Uhr
Professor Dr. Karl Lauterbach (SPD) hatte die Intransparenz der Pharmaunternehmen kritisiert. Er forderte ein schärferes Gesetz zur Kontrolle der Herstellerzahlungen an Ärzte. Doch das sei mit der Großen Koalition nicht umsetzbar. Dabei will auch die Union über eine gesetzliche Pflicht zu mehr Transparenz nachdenken. „Na, wer regiert eigentlich gerade?“, kommentiert die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink, auf Twitter.
Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) hatte eine Transparenz-Initiative gestartet und Pharmahersteller aufgefordert, Zahlungen an Ärzte offenzulegen. Davon sind konkrete Honorare für Anwendungsbeobachtungen (AWB) jedoch ausgenommen. Lauterbach plädiert daher für eine Gesetzesverschärfung. AWB sollten auf das notwendige Maß begrenzt werden. Ein derartiges Gesetz sei in der Großen Koalition nicht durchsetzbar, beklagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende.
Dabei äußerte sich auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Maria Michalk (CDU), kritisch über die Pharmaindustrie. „Die Freiwilligkeit hat offenbar Lücken, wir werden das jetzt weiter beobachten“, sagte sie. Wenn nichts weiter passiere, werde man über eine „verpflichtende Transparenz auch für Anwendungsbeobachtungen“ nachdenken.
Klein-Schmeink kritisiert das Anti-Korruptionsgesetz ebenfalls, sieht Fehler bei der Koalition: Diese habe dem Gesetzentwurf auf den letzten Metern „die Zähne gezogen“ und den Schutz der Patienten geopfert. Sie verweist via Twitter auf einen Entschließungsantrag, den ihre Partei im April an die Bundesregierung gestellt hatte. Darin forderten die Grünen, Unternehmen gesetzlich zu verpflichten, ihre Zuwendungen an Ärzte transparent zu machen. Bei Verstößen sollten entsprechende Sanktionen möglich sein. Für AWB verlangte die Partei, dass Patienten über die Studien aufgeklärt würden und ihre schriftliche Zustimmung geben müssten. Der Antrag sei abgelehnt worden, so Klein-Schmeink.
Laut VFA protokollierten Ärzte bei AWB nach einem festen Beobachtungsplan den Krankheitsverlauf bei Patienten, die ein bestimmtes Medikament einnehmen. Erfasst würden dabei etwa Wirksamkeit, Nebenwirkungen oder Erfahrungen mit der Einnahme. Diese Dokumentationen stellten sie in anonymisierter Form dem Hersteller oder einer Forschungseinrichtung zur Verfügung. Anders als bei klinischen Studien würden Informationen unter Alltagsbedingungen gewonnen, wo etwa auch Therapietreue und Begleiterkrankungen Einfluss auf das Behandlungsergebnis haben können.
Laut Arzneimittelgesetz (AMG) seien AWB dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), dem GKV-Spitzenverband und dem Verband der Privaten Krankenversicherung bereits zu melden, so der VFA. Dabei müssten Ort, Zeit, Ziel und Beobachtungsplan der Anwendungsbeobachtung angegeben werden. Die Informationen, die BfArM und PEI vorliegen, werden in öffentlich zugänglichen Datenbanken erfasst.
Gegenüber der KBV und dem GKV-Spitzenverband müssten zudem die beteiligten Ärzte mit Namen und Arztnummer genannt werden. Zusätzlich werde über die Art und Höhe der jeweils an sie geleisteten Vergütungen informiert. Zudem ist eine Ausfertigung der mit den Ärzten geschlossenen Verträge vorzulegen. Auch eine Darstellung des Aufwandes für die beteiligten Ärzte inklusive einer Begründung der Angemessenheit der Entschädigung sei zu übermitteln, teilt der VFA mit. Die Höhe der Vergütung dürfe keinen Anreiz zur Verschreibung für Ärzte darstellen. Das sehen das AMG und die freiwillige Selbstverpflichtung der forschenden Pharma-Unternehmen (FSA-Kodex) vor.