Anti-Korruptionsgesetz

Wenn der Außendienst zur Bande wird

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Berlin -

Der Bundestag befasst sich heute in erster Lesung mit dem Anti-Korruptionsgesetz. Vermutlich wird das Vorhaben der Großen Koalition nach kurzer Debatte in die Fachausschüsse verwiesen. Dann liegt noch viel Arbeit vor den Abgeordneten: Denn auch wenn der Kabinettsentwurf gegenüber der ersten Fassung aus dem Bundesjustizministerium (BMJV) schon deutlich verbessert wurde, sehen Experten und potentiell Betroffene noch große Schwachstellen in dem Gesetz.

Da ist zum Beispiel die Frage der Bestrafung: Nach dem aktuellen Entwurf drohen bestechlichen Heilberuflern sowie auf der anderen Seite dem Bestecher bis zu drei Jahre Haft. Besonders schwere Fälle werden mit fünf Jahren Gefängnis bestraft. Diese Form der Verschärfung ist im Strafrecht absolut gängig und so auch im allgemeinen Korruptionstatbestand vorgesehen.

Doch bei der Beurteilung von Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen könnte dieser Passus die Verschärfung quasi zum Normalfall machen, befürchten die Hersteller. Zur Definition eines besonders schweren Falls zählt im Strafrecht nämlich unter anderem, wenn eine Bande hinter der Tat steckt. Eine Bande sind mindestens drei Personen, die sich zusammenschließen, um für eine gewisse Dauer mehrere selbständige Straftaten eines Delikttyps zu begehen. Wichtig: Die Taten selbst müssen sie nicht gemeinsam begehen.

Heißt übersetzt: Fällt die Vertriebspraktik eines Pharmaherstellers in den Tatbestand des Anti-Korruptionsgesetzes, ist eigentlich immer von einem schweren Fall auszugehen. Selbst Arzt, Sprechstundenhilfe und Apotheker können demnach schon eine Bande sein. Der Abgrenzungsfall ist für höheres Unrecht gedacht, etwa bei einem zu dritt organisierten Diebstahl im Vergleich zu einem Einzeltäter. Dass in einem Unternehmen drei Personen an einer Aktion beteiligt sind, dürfte dagegen der Normalfall sein.

Im BMJV ist das Problem mittlerweile bekannt, aber das Ressort von Justizminister Heiko Maas (SPD) ist jetzt nur noch beratend am Gesetz beteiligt. Zunächst ist nun das Parlament am Zug. Der Gesetzgeber könnte auf eine diesbezügliche Klarstellung auch verzichten und die Abgrenzung den Staatsanwälten und Richtern überlassen. Eine Verschärfung an anderer Stelle hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung an den Bundesrat jedenfalls abgelehnt. Die Länderkammer wollte ein erhöhtes Strafmaß schon für alle Fälle, in denen Patienten zu Schaden kommen, weil sich ein Arzt oder Apotheker bestechen ließ.

Ein weiterer großer Kritikpunkt ist die Anbindung an die Berufsordnung. Verstöße gegen diese Vorschriften können künftig auch strafrechtlich relevant sein. Hier befürchten Strafrechtsexperten wie der Heidelberger Strafrechtsprofessor Dr. Gerhard Dannecker oder Professor Dr. Hendrik Schneider aus Leipzig eine Ungleichbehandlung. Denn die berufsrechtlichen Vorschriften variieren je nach Bundesland. Diese Problematik wird dem Vernehmen nach aktuell auch in der Politik noch heiß diskutiert. Gut möglich, dass es hier noch zu einer Klarstellung im parlamentarischen Verfahren kommt.

Vom Gesetzeswortlaut wird auch abhängen, wie die Staatsanwälte auf Strafanträge reagieren. Auch davon hängt viel ab: Selbst wenn das Verfahren eingestellt wird, fürchten Hersteller, ohne Schuld ins Visier der Ermittler zu geraten. Denn eine Durchsuchung stört nicht nur den Betriebsablauf erheblich, sondern kann vor allem einen immensen Imageschaden verursachen. Das gilt natürlich ebenso für Arztpraxen und Apotheken.

Da sowohl die Krankenkassen als auch Wettbewerber laut Gesetzentwurf antragsberechtigt sind, treibt die Unternehmen die Angst um, Opfer von Verleumdung zu werden. Die Staatsanwaltschaft könnte vermeintlichen Indizien nachgehen. Allerdings schützt das Strafrecht die Firmen auch: Wer einen anderen wider besseres Wissen einer Straftat beschuldigt, macht sich selbst strafbar. Hier drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis.

Apotheker interessiert aktuell auch die Debatte über OTC-Rabatte. Einige Hersteller wie Bayer sind sehr sicher, dass ihre Konditionen auch unter dem Anti-Korruptionsgesetz gewährt werden können – gefahrlos für den Hersteller und für die Apotheker. Der Leverkusener Konzern hat das sogar schon gutachterlich prüfen lassen.

Andere Hersteller sind extrem vorsichtig und schließen in diesen Tagen die Jahresvereinbarungen nur unter Vorbehalt ab, damit beide Seiten notfalls schnell kündigen können. In der Branche wird allerdings auch gemunkelt, so manche Firma nehme das Anti-Korruptionsgesetz zum Anlass, um die Konditionen zu drücken.

Dr. Traugott Ullrich, Geschäftsführer beim Phytohersteller Dr. Willmar Schwabe, geht davon aus, dass sich der Trend genau in die andere Richtung bewegen wird. Da die Bezugsentscheidungen des Apothekers im Gesetz explizit ausgeklammert seien, erwartet er einen deutlich verschärften Wettkampf um die Konditionen. Die Rabatte könnten stärker in den Fokus rücken, wenn andere Maßnahmen zur Kundenbindung unter Verdacht einer unzulässigen Einflussnahme stünden – berechtigt oder nicht.

Die Phytohersteller treibt aber noch ein ganz anderes Problem um: Das Anti-Korruptionsgesetz gilt nur für Arzneimittel und Medizinprodukte, nicht aber für Nahrungsergänzungsmittel (NEM) oder bilanzierte Diäten. „Das kann dazu führen, dass pflanzliche Arzneimittel in einer Konkurrenzsituation zu NEM nicht abgegeben werden. Und das würde das Ansinnen des Gesetzgebers, die heilberufliche Unabhängigkeit zu schützen, völlig unterlaufen“, so Ullrich.

Der Zeitplan sieht vor, dass es nach der ersten Lesung höchst wahrscheinlich eine öffentliche Anhörung im Ausschuss geben wird, vielleicht sogar noch in diesem Jahr. Die zweite und dritte Lesung könnte dann Anfang nächsten Jahres erfolgen, das Gesetz soll jedenfalls nach dem Willen der Regierung noch vor der Sommerpause in Kraft treten.

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