Anti-Korruptionsgesetz

Staatsanwalt: Korruption kein Massenphänomen

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Berlin -

Oberstaatsanwalt Alexander Badle von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main glaubt nicht, dass Ermittlungen im Bereich des Anti-Korruptionsgesetzes zu einem Massenphänomen werden. „Wir wissen, dass wir mit dem Strafrecht ein scharfes Schwert in der Hand haben. Wir wissen aber auch, dass wir es nur dann zur Anwendung bringen, wenn eine strafrechtlich relevante Handlung erkennbar ist“, sagte er bei einer Tagung der Bundesärztekammer (BÄK).

Das Anti-Korruptionsgesetz ist seit Anfang Juni scharf gestellt. Nach dem Gesetz droht Angehörigen von Heilberufen eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, wenn sie sich im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufes bestechen lassen. Apotheker sind beim Bezug von Arzneimitteln ausgenommen, können sich aber etwa im Zuge der Rezeptzuweisung mit Ärzten strafbar machen. Entscheidend ist das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung.

Oberstaatsanwalt Badle stellt klar: „Das Gesetz enthält keine neuen Verbote, es normiert lediglich eine strafrechtliche Sanktion für bereits verbotenes Verhalten. Das bedeutet auch, dass sämtliche bislang zulässigen Leistungsbeziehungen und Kooperationen auch nach Inkrafttreten des Gesetzes uneingeschränkt zulässig bleiben. Sie sollten aber auf etwaige strafrechtliche Risiken hin überprüft werden.“ Wichtig sei für die Akteure, sich im Vorhinein zu informieren und so das Strafverfolgungsrisiko zu minimieren, so Badle.

Auf der Tagung „Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“ am 12. November in Berlin diskutierten Ärzte und Juristen, welche Kooperationsmodelle strafbar sind und welche Formen der Zusammenarbeit zwischen den Heilberufen untereinander aber auch zwischen Leistungsanbietern und der Industrie weiterhin erlaubt sind.

BÄK-Präsident Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery sagte, die übergroße Mehrheit der Ärzte arbeite korrekt und lasse sich nichts zuschulden kommen. „Deshalb empfinden wir das Anti-Korruptionsgesetz für das Gesundheitswesen auch nicht als Bedrohung, sondern als Schutzmaßnahme für die vielen ehrlichen Kollegen“, so Montgomery. Die Neuregelungen könnten aber auch zu Unsicherheiten insbesondere bei Ärzten führen, die sich in Netzen oder in sektorenübergreifenden Versorgungsformen engagierten. „Diese Kollegen brauchen verlässliche Informationen. Und die wollen wir ihnen geben.“

Professor Dr. Karsten Gaede von der Bucerius Law School Hamburg sieht in dem Gesetz eine vernünftige Grundlage für die Strafverfolgung im Gesundheitswesen. Er wies jedoch darauf hin, dass die Delikte eine „vorsichtige Anwendung“ erforderten.

Der Beratungsbedarf seit Inkrafttreten des Gesetzes laut Professor Dr. Thomas Ufer, Arzt und Fachanwalt für Medizinrecht, deutlich gestiegen. Vorgelegt würden nicht nur neue Kooperationsmodelle. Viele Klinikchefs ließen jetzt auch ihre Altverträge prüfen. Beratungsbedarf bestünde beispielsweise bei Kooperationen zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken.

Auch sogenannte Anwendungsbeobachtungen führten zu Unsicherheiten, so Ufer. Diese könnten straffrei sein, es sei denn, die vorgesehene Vergütung entschädige nicht für zusätzlichen Aufwand, sondern für die bevorzugte Verordnung bestimmter Präparate.

Auf berufsrechtliche Bezüge der neuen gesetzlichen Regelungen und den daraus entstehenden Beratungsbedarf in den Ärztekammern gingen Karl Lienshöft, Staatsanwalt a.D. sowie Dr. Karsten Scholz, Justiziar der Ärztekammer Niedersachsen, ein. Lienshöft berichtete von seiner Tätigkeit als unabhängiger Untersuchungsführer der Ärztekammer Schleswig-Holstein. Scholz erläuterte, dass es Pflichtaufgabe der Ärztekammer Niedersachsen sei, Mitglieder in Fragen der Berufsausübung zu beraten. Dies umfasse auch strafrechtliche und vertragsarztrechtliche Aspekte.

Für Apotheken könnte laut dem Strafrechtler Professor Dr. Hendrik Schneider von der Universität Leipzig das kostenlose Verblistern für Pflegeheimen problematisch werden. Denn das Heim und seine Patienten erhielten einen Vorteil gegenüber der Auslieferung der Medikamente in der Originalverpackung. Ein Staatsanwalt könne argumentieren, dass das Heim Kosten spart und deshalb den Apotheker beim Abschluss des Heimversorgungsvertrages bevorzugt habe, der das Verblistern unentgeltlich anbietet. Das sei eine Unrechtsvereinbarung. Der Entscheidungsträger des Heims nehme Drittvorteile an.

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