Anti-Korruptionsgesetz

Mattheis: Strafbarkeitslücken für Apotheker Alexander Müller, 11.04.2016 13:26 Uhr

Berlin - 

Die Gesundheitspolitiker der SPD lassen beim Anti-Korruptionsgesetz nicht locker. Man werde die geplante Anpassung des Gesetzes morgen noch einmal mit den Rechtspolitikern der Fraktion besprechen, kündigte die gesundheitspolitische Sprecherin Hilde Mattheis an. Eigentlich soll der entscheidende Änderungsantrag am Mittwoch den Rechtsausschuss passieren und das Gesetz bereits am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden. Der GKV-Spitzenverband stimmte derweil in die Kritik der SPD mit ein und warnt vor korrupten Apothekern.

Die Rechtspolitiker von Union und SPD hatten sich auf Änderungen verständigt. Vor allem die bei Experten umstrittene Anbindung an das Berufsrecht wurde gestrichen. Die berufsrechtlichen Vorschriften seien teilweise zu unbestimmt und vor allem nicht bundesweit einheitlich. Beides verträgt sich nicht mit dem Strafrecht. Verstöße können jetzt nur noch mit Blick auf ihre wettbewerbsrechtliche Relevanz geahndet werden. Ebenfalls gestrichen werden sollen der Bezug und die Abgabe von Arzneimitteln im Straftatbestand, sofern die Mittel nicht unmittelbar beim Arzt angewendet werden.

Professor Dr. Karl Lauterbach, als SPD-Fraktionsvize zuständig für Gesundheit, und der zuständige Berichterstatter, Dr. Edgar Franke, hatten den Kompromiss kritisiert. Jetzt legte Mattheis nach: „Wir wollen sicherstellen, dass keine Strafbarkeitslücken geschaffen werden. Die Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass der Arzt und der Apotheker bei der Therapie das optimale für ihre Patienten wollen“, sagte sie gegenüber APOTHEKE ADHOC.

Dass sich Apotheker und Ärzte unter berufsrechtlichen Gesichtspunkten nach dem neuen Entwurf nicht mehr strafbar machen können, sieht auch Mattheis als Schwachstelle. Hier müsse nachgebessert werden. Es gebe immerhin Juristen, die vor einer Strafbarkeitslücke warnten, wenn allein das Wettbewerbsrecht entscheidend sei.

Gernot Kiefer, Vorstandsmitglied beim GKV-Spitzenverband, kritisierte den Änderungsantrag gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Es hat seinen Grund, weshalb die Apotheker die Einigung feiern, die Bundesärztekammer glücklich ist und auch die Hersteller von Arzneimitteln und Medizinprodukten applaudieren.“

Besonders schwerwiegend findet Kiefer laut Bericht, dass Bezug und Abgabe von Arzneimitteln in Apotheken aus dem Entwurf gestrichen werden sollen. Die Apotheker werden damit in ihrer Funktion als Kaufleute von dem Gesetz ausgeklammert. „Sie können künftig nicht mehr belangt werden, wenn sie für die Abgabe bestimmter Medikamente vom Hersteller Sonderrabatte oder andere Vergünstigungen bekommen“, moniert Kiefer. Damit seien auch Bestechungsmanöver im Rahmen der Rabattverträge möglich, erwartet der GKV-Vorstand.

Lauterbach hatte den Kompromiss ebenfalls gegenüber der Süddeutschen Zeitung als „nicht akzeptabel“ bezeichnet. So könne auch künftig kein Arzt strafrechtlich belangt werden, wenn er einen Patienten aus wirtschaftlichem Eigeninteresse falsch behandle, behauptete der SPD-Fraktionsvize. Seiner Meinung nach sind Fälle denkbar, in denen Ärzte bewusst ein schlechteres Medikament verschreiben, weil sie im Gegenzug Geld des Pharmaunternehmens erhalten.

Der CDU-Rechtspolitiker Jan-Marco Luczak weist die Kritik zurück: Die von Lauterbach genannten Fälle würden selbstverständlich künftig vom Gesetz erfasst. „Wenn ein Arzt bewusst ein schlechteres Medikament verschreibt, weil er dafür einen persönlichen Vorteil erhält, dann ist das künftig glasklar als Korruption strafbar“, so Luczak. Das bleibe auch nach den geplanten Änderungen so.

Die Streichung des Verweises auf das Berufsrecht war laut Luczak aufgrund erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken notwendig, sie führe nicht zu Strafbarkeitslücken. In der Praxis würden Korruptionsfälle ohnehin fast ausnahmslos vom Tatbestand zum Schutz des lauteren Wettbewerbs erfasst. Der Begriff „Wettbewerb“ sei in diesem Zusammenhang weit auszulegen. Die geplanten Änderungen seien gemeinsam mit den SPD-Rechtspolitikern, dem SPD-geführten Justizministerium und dem Gesundheitsministerium abgestimmt. „Ich bedauere, dass Herr Lauterbach als Nicht-Jurist sich nicht bei seinen Kollegen über die rechtlichen Hintergründe informiert hat“, so Luczak.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Maria Michalk (CDU), hatte am vergangenen Freitag eine unmissverständliche Drohung an den Koalitionspartner gerichtet: Entweder das Anti-Korruptionsgesetz komme mit dem besprochenen Kompromiss, oder es komme gar nicht, sagte sie bei der Jahrestagung des Verbands Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA).

Mattheis wollte dieses Ultimatum nicht weiter kommentieren. Es sei wichtig, sich zu vergewissern, dass es keine Strafbarkeitslücken gibt. Dazu werde man jetzt „in aller Freundschaft“ mit den eigenen Rechtspolitikern reden. Ob die SPD dem Kompromiss zustimmen würde, wenn die Union das Gesetz ansonsten scheitern ließe, will Mattheis nicht kommentieren: „An solchen Spekulationen möchte ich mich nicht beteiligen“, sagte sie.