Das Bundesjustizministerium (BMJV) hat eine Formulierungshilfe für den Änderungsantrag zum Anti-Korruptionsgesetz erstellt. Die Regierungsfraktionen sind sich einig, in der kommenden Woche könnte das Gesetz den Bundestag passieren. Bleibt es bei den derzeit geplanten Änderungen, wären die Apotheker vom Anti-Korruptionsgesetz nur betroffen, wenn sie etwa mit Ärzten Absprachen über die Rezeptzuweisung treffen. Einkauf und Abgabe von Arzneimitteln in Apotheken sind dagegen vom Strafparagraphen nicht erfasst.
Die Rechtspolitiker von Union und SPD hatten sich Ende März überraschend auf einen weitreichenden Änderungsantrag verständigt. Die Anbindung an das Berufsrecht der Ärzte und Apotheker soll ersatzlos gestrichen werden. Die Abgabe von Arzneimitteln ist im neuen Entwurf als Tatbestandsmerkmal komplett gestrichen. Nunmehr wird nur noch auf den Bezug abgestellt, aber auch hier ist der Einkauf von Apothekern nicht betroffen. Staatsanwälte sollen nach der Neufassung auch ohne Antrag von Betroffenen, Berufskammern und -verbänden oder Krankenkassen aktiv werden können.
Der Änderungsantrag ist zwischen den Regierungsfraktionen konsentiert, am kommenden Mittwoch soll er im federführenden Rechtsausschuss beschlossen werden. Der Bundestag könnte das Anti-Korruptionsgesetz dann bereits in seiner Sitzung am 14. oder 15. April in zweiter und dritter Lesung verabschieden.
Das BMJV hat eine Formulierungshilfe für den Änderungsantrag erarbeitet, aus dem auch die Begründung für die kurzfristigen Anpassungen hervorgeht. So soll der Bezug im Tatbestand auf Arzneimittel beschränkt werden, die unmittelbar angewendet werden, sowie etwa Prothesen oder Implantate. In diesen Fällen könne der lautere Wettbewerb und die heilberufliche Unabhängigkeit auch „auf Bezugsentscheidungen gerichtete Vorteile in strafwürdiger Weise beeinträchtigt werden“, heißt es in der Begründung.
Im Bereich der ambulanten Krebstherapie oder in der Substitutionstherapie werde die Unrechtsvereinbarung in der Regel bereits an die Verordnung anknüpfen, heißt es weiter. „Dabei umfassen Verordnungsentscheidungen alle Tätigkeiten, die mit dem Verordnen in einem engen Zusammenhang stehen, wie beispielsweise die Übersendung der Verordnung an einen anderen Leistungserbringer“, so die Begründung. Deals über die Zuweisung von Patienten zwischen Arzt und Apotheker werden also künftig strafbar sein.
Einkaufsvorteile von Apothekern sind davon nicht erfasst. Schon im Entwurf der Bundesregierung waren Verstöße gegen Preis- und Rabattvorschriften als Ausnahmen genannt. In der Begründung des früheren Entwurfs hieß es, dass es bei branchenüblichen und allgemein gewährten Rabatten und Skonti bereits an der Unrechtsvereinbarung fehlen könne. Das hieß im Umkehrschluss aber auch, dass es auch eine strafbare Unrechtsvereinbarung geben kann. Mit dem Änderungsantrag werden Bezugsentscheidungen jetzt ausgeklammert.
Es gibt laut der Begründung auch so etwas wie gute Korruption: „Eine Strafbarkeit entfällt, wenn der Heilberufsangehörige die ihm beim Bezug gewährten Rabatte und sonstigen Vorteile zugunsten des Patienten bzw. des zuständigen Kostenträgers annimmt, um sie an diesen weiterzureichen.“ Derartige Rabatte dienten dem Wettbewerb und seien im Sinne der Kassen und ihrer Versicherten.
Komplett gestrichen wird der Absatz, in dem die Verletzung der berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit mit dem Korruptionstatbestand verknüpft war. Dieser Passus war von den geladenen Experten bei einer Anhörung im Rechtsausschuss heftig kritisiert worden. Das verfing offenbar: Laut Begründung des Änderungsantrag wird mit der Streichung „Bedenken im Hinblick auf die Unbestimmtheit und Uneinheitlichkeit bei einem Teil der in Bezug genommenen Berufsordnungen Rechnung getragen werden“.
Anschließend wird erklärt, wozu der Passus überhaupt ursprünglich im Entwurf stand: Es ging um Monolpolsituationen sowie medizinisch nicht indizierte Verordnungen – die wegen fehlendem Wettbewerbsverhältnis ansonsten nicht erfasst sein könnten. Doch mittlerweile ist man der Auffassung, dass es im Gesundheitswesen kaum zu Monopolen komme, da selbst patentgeschützte Arzneimittel in Konkurrenz zu Re- oder Parallelimporten stünden. Auch Therapiealternativen seien als Wettbewerb zu verstehen.
Insgesamt sind laut Entwurf „keine zu strengen Maßstäbe“ anzuwenden, wenn es um die Frage geht, ob der Wettbewerb eingeschränkt wird. Eine Vorteilsgewährung könne schließlich auch mit der Absicht erfolgen, eine dauerhafte Patientenbindung aufzubauen und weitere Markteintritte und damit eine Wettbewerbslage zu verhindern, heißt es.
Das BMJV beschränkt sich in seiner Formulierungshilfe weitestgehend darauf, den Änderungsantrag besser zu strukturieren. Inhaltlich bleibt also alles so, wie es die Rechtspolitiker der Koalitionsfraktionen zuvor vereinbart hatten. „Für eine bessere Übersichtlichkeit werden die drei tatbestandlichen Heilberufentscheidungen als neue Nummer 1 bis 3 gegliedert“, heißt es in der Begründung.
Konkret handelt es sich dabei um Bestechung oder Bestechlichkeit bei erstens der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten. An dieser Stelle wird die „Abgabe“ aus dem Entwurf gestrichen. Die Bevorzugung eines Herstellers aufgrund von Rabattvereinbarungen wird vom Anti-Korruptionsgesetz also nicht erfasst, bliebe aber berufs- und wettbewerbsrechtlich unzulässig.
Nummer 2 im neuen Straftatbestand greift zwar den Bezug von Arznei- und Hilfsmitteln oder Medizinprodukten auf, aber mit der Einschränkung „zur unmittelbaren Anwendung“. Nummer 3 schließlich erweitert das Verbot auf die „Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial“.
Eine weitere Änderung gibt es bei der Verfolgung der Straftaten. Die Straftatbestände sollen nicht nur auf Antrag verfolgt werden können, nach der Neufassung sollen die Staatsanwaltschaften auch von sich aus aktiv werden können. Juristisch spricht man von einem Offizialdelikt. Auch diese Änderung war von verschiedenen Seiten gefordert worden.
Zur Begründung schreibt das BMJV, mit dem Gesetz sollte zwei Rechtsgüter geschützt werden: „Neben der Sicherung des fairen Wettbewerbs im Gesundheitswesen soll das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen geschützt werden.“ Letzteres sei ein überindividuelles Rechtsgut von großer Bedeutung. Mit anderen Worten: Die Allgemeinheit hat immer ein Interesse an der Aufklärung entsprechender Straftaten, selbst wenn der Verletzte es lieber geheim halten würde.
Jetzt könnte alles ganz schnell gehen. Da aus der Koalition keine Gegenstimmen zu vernehmen waren, ist davon auszugehen, dass der Rechtsausschuss und anschließend das Plenum des Bundestags den Änderungsantrag durchwinken. Der Bundesrat könnte sich dann am 22. April abschließend damit befassen. Stoppen kann die Länderkammer das nicht zustimmungspflichtige Gesetz ohnehin nicht mehr. Eine Frist für das In Kraft treten ist im Entwurf nicht vorgesehen, so dass das Gesetz mit Veröffentlichung wirksam wäre.
APOTHEKE ADHOC Debatte