BMG-Datenaffäre

Anklage bröckelt weiter

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Berlin -

Im Prozess um den angeblichen Datendiebstahl aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) fällt die Anklage weiter in sich zusammen: Der Vorsitzende Richter am Landgericht Berlin will nicht nur 38 von 40 Anklagefällen einstellen, sondern bei den beiden verbliebenen zudem etwaige Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) nicht weiter verfolgen. Die Verteidigung ist trotzdem nicht zufrieden.

Christoph H., einem ehemaligen IT-Mitarbeiter des BMG, wird vorgeworfen, E-Mails aus dem Ministerium gestohlen und an den früheren ABDA-Sprecher Thomas Bellartz verkauft zu haben. In der Anklage wurden den beiden ursprünglich 40 Fälle zur Last gelegt, die nach nunmehr 27 Verhandlungstagen aber nie konkretisiert wurden. So hatte das Gericht schon in der vergangenen Sitzung erklärt, dass bei Bellartz keine E-Mails aus dem BMG sichergestellt wurden.

Im Rahmen eines Rechtsgesprächs regte das Gericht heute an, einen weiteren Fall nach § 154 Strafprozessordnung (StPO) einzustellen. Diese Regelung ist für Fälle vorgesehen, die im Vergleich zu anderen Fällen, die weiter verfolgt werden, nicht ins Gewicht fallen. Allerdings will das Gericht sie bei der Strafzumessung im Falle einer Verurteilung dennoch berücksichtigen. Dasselbe gilt für etwaige Verstöße gegen das BDSG in den beiden anderen Fällen, die vorerst auch nicht weiter verfolgt werden sollen.

Bellartz‘ Anwalt Professor Dr. Carsten Wegner nannte das einen „Taschenspielertrick“. Die Anregung zur Einstellung sei klar ausgesprochen worden, weil zu diesen Fällen überhaupt nichts vorliege. Das Gericht könne dann aber nicht später so tun, als hätte man doch irgendwelche Beweise gehabt. Tatsächlich handele es sich um ganz klare Freispruchfälle. Die Staatsanwaltschaft hat zu dem Vorschlag noch keine Stellungnahme abgegeben, so dass das Gericht erst beim nächsten Termin entscheiden wird.

Wegner hatte die Anregung des Gerichts dagegen antizipiert und schon einen Antrag dazu vorbereitet. Er wies erneut darauf hin, dass sogar nach der eigenen Einschätzung des BMG kein Schaden entstanden sei. Die ehemaligen Gesundheitsminister Philipp Rösler und Daniel Bahr (beide FDP) könnten dies bezeugen. Um besonders heikles Material kann es sich aus Sicht der Verteidigung ohnehin nicht gehandelt haben. Denn die verfahrensgegenständlichen Mails wurden im BMG zwischenzeitlich sämtlich gelöscht. „Können diese E-Mail-Daten daher wirklich in irgendeiner Form besonders relevant sein, wenn ein Klick zu genügen scheint, sie für immer zu vernichten?“, fragt sich Wegner.

Sogar der Staatsanwalt habe gegenüber der Presse öffentlich erklärt: „Es sind einfach interne Üblichkeiten ausgenutzt worden. Dass zum Beispiel ein Systembetreuer mit einem besonderen Kennwort Zugriff auf jedes E-Mail-Postfach hat, das er sich angucken will“, zitierte Wegner mehrfach den Presseauftritt des Staatsanwalts am ersten Verhandlungstag. Zumindest für eine etwaige Strafzumessung müsste der Staatsanwalt dies aus Wegners Sicht näher erläutern – und zwar als Zeuge im Prozess.

Das Gericht lehnte in mehreren Beschlüssen auch unter anderem eine Vernehmung des Oberstaatsanwalts sowie erneute Ladung des leitenden Ermittlers ab. Für die Beurteilung der Schuld- und Rechtsfolgefrage sei dies voraussichtlich ohne Bedeutung, so die wiederkehrende Begründung. Dabei ging es unter anderem um eine von der Verteidigung gerügte Vorverurteilung der Angeklagten, da vorab Details aus den Ermittlungsakten und der Anklageschrift an die Öffentlichkeit durchgestochen worden waren.

Das Gericht erklärte, dass die Ablehnung des Beweisantrags „keineswegs eine Billigung ermittlungsbehördlicher Verfehlungen“ zum Ausdruck bringe. Da das Gericht „diese Verfehlungen als erheblich ansieht“, würde es diesen Umstand im Falle einer Verurteilung strafmildernd berücksichtigen.

Ansonsten wurde heute noch ein anderer Anklagepunkt gegen H. besprochen, der mit dem vermeintlichen Datendiebstahl nichts zu tun hat. Bei der Durchsuchung seines Hauses wurde kinderpornografisches Material beschlagnahmt. Dies musste das Gericht heute für eine rechtliche Würdigung in Augenschein nehmen. Entschieden wurde hierzu aber heute nichts.

Die Verhandlung wird am 19. Oktober fortgesetzt, mit einer Entscheidung ist aber auch dann nicht zu rechnen. Das Gericht will an diesem Tag nur kurz verhandeln.

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