Kommentar

An falscher Stelle gespart Alexander Müller, 27.01.2008 17:39 Uhr

Berlin - 

Die Barmer Ersatzkasse, die mit ihrem Hausapothekenmodell zum zwischenzeitlichen Partner der Pharmazeuten emporstieg, torpediert diese Partnerschaft nach allen Regeln der Kunst. In der vergangenen Woche verärgerte ein „Retaxations-Fax“ die Apotheker. Mit der Kündigung des entsprechenden Hilfsmittelliefervertrages hat die Kasse den Apotheken nun auch noch das Recht zur Versorgung ihrer Versicherten mit aufsaugenden Inkontinenzartikeln entzogen. Für die einzelne Apotheke ist diese Lage zwar (noch) keine Katastrophe. Aber deren Kunden, die Patienten, werden mit aller Härte getroffen und leiden unter einer realitätsfernen Umsetzung.

Gerade beim Thema Inkontinenz, einem der großen Tabu-Bastionen der Gesundheitsversorgung, geht es um Vertrauen und Diskretion. Nun müssen die Barmer-Versicherten ihre Bestellung in einen Umschlag - immerhin portofrei - stecken, und mit dem Gefühl leben, dass von der Krankenkasse, über Sanitätshaus und Hersteller bis zum Lieferanten jeder von ihrem Leiden weiß. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Befürchtungen begründet sind oder nicht. Das, was auf den ersten Blick als Diskretion erscheint, ist wachsende Distanz.

Und jeder, der mit Inkontinenzprodukten arbeitet, und nicht zuletzt die Betroffenen selbst wissen, dass es bei der Qualität himmelweite Unterschiede gibt. Patienten haben unterschiedlichste Bedürfnisse. Über Ausschreibungen können die Kassen zwar einem Billiganbieter den Zuschlag erteilen und auf Einsparungen hoffen. Die Auswahl der Versicherten wird aber faktisch eng begrenzt, wenn das versorgende Reha-Zentrum Zuschläge für Sonderwünsche veranschlagt.

Erneut wird der Sparzwang der Kassen auf dem Rücken der Patienten ausgetragen. Es spricht nicht für die Weitsicht und Lernfähigkeit des Gesetzgebers, wenn er nach den Arzneimittelrabattverträgen den gleichen Fehler wieder und wieder begeht: Ausschreibungen sind nicht das Mittel der Wahl, wenn es um die persönlichen Bedürfnisse der Patienten geht. Die dezentrale, wohnortnahe Versorgung hat sich bewährt, bei Arzneimitteln wie bei Hilfsmitteln.