Der Apotheker in seiner Apotheke, das ist nicht nur die verklärte Vorstellung des letzten Tante-Emma-Ladens, sondern Grundpfeiler des deutschen Apothekenrechts und des Selbstverständnisses der meisten Pharmazeutinnen und Pharmazeuten. Doch die Trends der vergangenen Jahre zeigen: In der Branche wächst der Bedarf nach einer Weiterentwicklung dieses Modells. Und die Ampel steht mit eigenen Vorschlägen bereit.
Knapp 18 Jahre ist es her, dass eine SPD-Gesundheitsministerin die Liberalisierung des Apothekenmarktes in die Wege leitete: Nicht nur der Versandhandel wurde unter Ulla Schmidt zugelassen, der sich jetzt vom E-Rezept den größten Umsatzschub in der Geschichte erhofft. Auch der beschränkte Mehrbesitz wurde eingeführt mit dem Ziel, mehr Wettbewerb innerhalb des Berufsstands zu entfachen.
Während das eigentliche Ziel, den Rückgang der Apothekenzahlen zu stoppen, nur vorübergehend erreicht werden konnte, war die Spaltung des Berufsstands nachhaltig. Jede dritte Apotheke gehört mittlerweile zu einem Verbund – und diese Filialgruppen haben naturgemäß ganz andere Erwartungen an die Standesvertretung als die Einzelkämpfer im Land. Das fängt beim Einkauf an, betrifft die Vorhaltung von Labor und Rezeptur und hört beim Notdienst nicht auf.
Zwei Sorgen treiben aber alle Apotheken gleichermaßen um: die Abwanderung von Kund:innen in den Versandhandel (und bald vielleicht Plattformen und Lieferdienste) und die zunehmend kritische Personalsituation. Filialen müssen aufgegeben werden, weil sich der gesetzlich vorgeschriebene Filialleiter nicht rechnet oder weil er gleich gar nicht gefunden werden kann. Das Problem trifft naturgemäß nicht die umsatzstärksten Apotheken, sondern diejenigen, die sich vielleicht weniger stark rechnen, aber eigentlich für die Versorgung gebraucht werden.
Die Politik hat erkannt, was die Standesvertretung nicht wahrhaben will: Das Interesse der Patientinnen und Patienten deckt sich nicht immer mit dem derjenigen Menschen, die eine Apotheke betreiben. Und so wurden schon vor der Bundestagswahl Forderungen aus der künftigen Ampel laut, flexible Versorgungsformen zu erlauben. Dabei geht es nicht mehr um den Liberalismus vergangener Tage, sondern darum, Vorgaben dort einzureißen, wo sie der Versorgung im Wege stehen.
Der Ruf nach der Deregulierung wird irgendwann aus dem Berufsstand selbst kommen, mahnten schon Fritz Oesterle & Co., als ihre Kettenpläne 2009 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) kassiert wurden. Und auch wenn es längst noch nicht so weit ist, dass Kapitalkonzerne einspringen müssen, um die Versorgung zu sichern, steht dem Berufsstand jetzt dieselbe Diskussion bevor, die parallel die Ärzt:innen in ihrem Bereich führen: Wie lässt sich die Versorgung weiterentwickeln, ohne das Gesundheitswesen in eine radikale Kommerzialisierung zu treiben?
Die Heilberufler sollten sich ehrlich machen: Es geht auch um die Arbeitsbedingungen des eigenen Berufsstands. So wie viele Ärzt:innen in Teilzeit- und Angestelltenverhältnisse flüchten, weil ihnen der Druck der Selbstständigkeit zu groß ist, wächst die Zahl der OHG-Apotheken und derjenigen Pharmazeut:innen, die ihr Glück außerhalb der Apotheke suchen.
Um die Versorgung vor Ort zu sichern, werden SPD, Grüne und FDP das Korsett lockern wollen, in dem der Apothekerberuf heute eingeschnürt ist. Das haben sie bereits vor der Wahl zu Protokoll gegeben. Und allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, dass vielleicht genau das die Apotheke vor Ort mehr stärken könnten als alte Abwehrkämpfe etwa dagegen, dass Verbünde die Rezeptur an einem Ort bündeln oder dass OHG-Apotheker eine Filiale leiten dürfen.
Ob Abkehr von der Packungspauschale, gelockerter Mehrbesitz auf dem Land oder mehr Kompetenzen für PTA – nicht alle Vorschläge mögen geeignet sein. Doch die Debatte sollte offen geführt werden. Ketten wird man jedenfalls nicht verhindern, wenn man für den reinen Statuserhalt kämpft. Wer immer noch glaubt, sich hinter dem HV-Tisch einmauern zu können, für den wird es irgendwann ziemlich einsam in seiner Apotheke werden.
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