Bis Ende 2014 einigten sich GKV-Spitzenverband und Hersteller in 68 Verhandlungen auf 59 Erstattungsbeträge. Lediglich in neun Fällen kam die Schiedsstelle zum Einsatz, schreibt der GKV-Spitzenverband. Laut den Kassen hat sich das AMNOG bewährt. Nicht das Attribut „neu“ sei nunmehr entscheidend, sondern der nachgewiesene Zusatznutzen. Die Hersteller dagegen kritisieren „widrige Bedingungen“ bei der frühen Nutzenbewertung. Das sei ein unhaltbarer Zustand, so Henning Fahrenkamp, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Damit reagiert er auf den AMNOG-Report der DAK.
Laut BPI verlieren die Kassen zunehmend die Versorgungssituation ihrer Versicherten aus dem Blick. Anders sei nicht zu erklären, dass die DAK zu dem Schluss komme, die Hälfte der 58 untersuchten Wirkstoffe weise keinerlei Zusatznutzen auf. „Dass wie behauptet tatsächlich so viele neue Arzneimittel in der Praxis keinen Zusatznutzen haben sollen, ist mehr als fraglich“, schreibt der Verband.
Schwachstellen habe das AMNOG-System hingegen zuhauf. Innovationen würden immer wieder gezielt ausgebremst, etwa indem von Herstellern eingereichte Dossiers aus formalen Gründen nicht berücksichtigt würden. Auch bestehe nach wie vor das Problem der Akzeptanz des indirekten Vergleiches, wenn als zweckmäßige Vergleichstherapie ein Präparat gewählt werde, für das es keine entsprechenden Studien gebe. Die Bedingungen für einen Zusatznutzen seien widrig: „Ein unhaltbarer Zustand“, so Fahrenkamp.
Er fordert, die Macht des GKV-Spitzenverbandes zu beschneiden. Schon jetzt mutiere das Verfahren der frühen Nutzenbewertung immer mehr zum Kostenregulierungsinstrument der Kassen und damit potentiell zum Innovationskiller.
Gegen die immer wieder geäußerte Forderung nach rückwirkenden Erstattungsbeträgen wehrt sich der BPI: „Wer den politisch ausdrücklich gewollten Erstattungsanreiz für Innovationen im ersten Jahr abschafft, nimmt Unternehmen Planungsgrundlagen“, so Fahrenkamp.
„Denn Arzneimittelinnovationen haben zwar zunächst einmal ihren Preis, sie können aber auch enorme Folgekosten wie zum Beispiel lebensnotwendige Transplantationen bei Hepatitis-Patienten vermeiden. Diese Effekte müssen langfristig betrachtet werden.“
Auch der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) betont die Gefahr für Innovationen und für die Versorgung: „Unterversorgungsquoten von bis zu 90 Prozent bei Medikamenten, die das AMNOG-Verfahren durchlaufen haben, sind nicht tolerabel“, sagt Birgit Fischer, vfa-Hauptgeschäftsführerin.
Der tatsächliche Zugang der Patienten zu neuen, innovativen Arzneimitteln sei offensichtlich bislang unzureichend im Fokus der Steuerungsinstrumente. Hier dominierte eine einseitige Ausrichtung an den Bedürfnissen der Kostendämpfung.
Die Refinanzierung der hohen Aufwendungen für Arzneimittelforschung in Deutschland könne aber nicht mehr gewährleistet werden, wenn die Preise für neue Medikamente unter den europäischen Durchschnitt sinken. 82 Prozent der durch das AMNOG-Verfahren gegangenen Preise für neue Arzneimittel lägen unter dem europäischen Mittel, 38 Prozent seien sogar die niedrigsten in Europa.
Der Schlüssel zur angemessenen Lösung von Kostenfragen im Gesundheitssystem liege vielmehr in einer Stärkung der Markt- und Wettbewerbsmechanismen und in einer fairen Verhandlungskultur. „So könnten passgenauere Einzelverträge der Kassen mit Arzneimittelherstellern eine größere Rolle spielen als bislang,“ sagt Fischer.
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