AMG-Novelle

Gröhe feilt an Lex-DrEd

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Berlin -

Mit einer „Lex DrEd“ wollte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) Rezepte ohne persönlichen Arztkontakt im Rahmen der AMG-Novelle eigentlich verbieten. An der Formulierung zum Fernbehandlungsverbot wurde noch gefeilt. Statt eines „persönlichen“ Arzt-Patienten-Kontakts ist jetzt nur noch ein „direkter“ Kontakt für eine Verordnung erforderlich, der auch durch „In-Augenscheinnahme“ erfolgen kann. Der GKV-Spitzenverband hält diesen Begriff für zu vage und fordert eine Präzisierung. Das BMG gibt Entwarnung.

Mit Gröhes Korrektur sei jetzt sichergestellt, dass die Kontaktaufnahme innerhalb einer geeigneten Struktur auch „telemedizinisch“ erfolgen könne, interpretiert der GKV-Spitzenverband in seiner Stellungnahme zur Anhörung der 4. AMG-Novelle am kommenden Montag im Gesundheitsausschuss des Bundestages die neue Formulierung. Dabei ergäben sich jedoch „Abgrenzungsprobleme“ zu Verordnungen durch Onlineärzte beziehungsweise Onlinepraxen.

Die Intention des Gesetzgebers, Fehldiagnosen zu vermeiden und die Patientensicherheit zu stärken, könne so gefährdet werden. „Vor diesem Hintergrund wäre es zu begrüßen, wenn am Wortlaut 'persönlicher Kontakt'“ festgehalten werden würde, fordern die Kassen. Der Gesetzgeber könne ja klarzustellen, dass auch audiovisuelle Kommunikationswege unter dem Wortlaut „persönlicher Kontakt“ zu subsummieren seien.

Behandlungen und Diagnosen über das Telefon oder über das Internet reichten nicht aus, „sondern bergen das Risiko von Fehldiagnosen und können so die Patientinnen und Patienten gefährden“, heißt es im überarbeiteten Gesetzentwurf Gröhes. Wenn es für den Apotheker offenkundig sei, dass eine Verschreibung ohne direkten Kontakt mit einem Arzt, „beispielsweise über ein Internetportal“, erfolgt ist, darf das Arzneimittel laut BMG-Entwurf nicht abgegeben werden.

Aus dem BMG hieß es auf Nachfrage: „Die Formulierung 'direkter Kontakt' bedeutet aus unserer Sicht keine Änderung in der Sache und keine Relativierung. Sie ist treffgenauer als die frühere Formulierung.“

Ungeachtet der Änderung sehen der Bundesverband Verbraucherzentrale (VZBV) und die Versandapotheken in der „Lex DrEd“ weiterhin einen Verstoß gegen EU-Recht und einen Rückschritt beim angestrebten E-Health-Ausbau in Deutschland. Die Verbraucherzentrale warnt Gröhe außerdem in ihrer Stellungnahme zur Anhörung der AMG-Novelle davor, Apotheker zur „Kontrollinstanz“ für den Arzt-Patienten-Kontakt zu machen.

Das DrEd-Verbot nehme sich „wie ein Anachronismus aus“. Zudem nehme die AMG-Novelle die Apotheker in die Pflicht: „Sie müssen prüfen, ob eine Verschreibung in einem persönlichen Arzt-Patienten Kontakt erfolgt ist und werden so nolens volens zu einer 'Kontrollinstanz'“, kritisiert die Verbraucherzentrale.

Praktisch stelle sich allerdings die Frage, ob und wie es für den Apotheker offensichtlich werden solle, dass eine Verschreibung ohne persönlichen Kontakt ausgestellt wurde. Dies sei bei Rezepten aus einer Fernbehandlung ebenso wenig erkennbar wie bei Rezepten, die von einer ärztlichen Vertretung ausgestellt werden.

Ein pauschales gesetzliches Verbot der Fernverschreibung widerspreche dem erklärten Ziel der Bundesregierung, die wohnort- und patientennahe Versorgung auch unter Zuhilfenahme digitaler Dienste zu fördern, schreibt die Verbraucherzentrale. Ein solches Verbot sei „rückwärtsgewandt“ und verhindere die Einführung einer regelbasierten Fernbehandlung in hoher Qualität wie es sie in anderen Europäischen Ländern längst gebe.

Der VZBV plädiert dafür, stattdessen ein „telemedizinisches Beratungs- und Behandlungszentrum von hoher Qualität in der Regelversorgung zu etablieren“. Dies würde den Bedürfnissen vieler Versicherter in Deutschland entgegenkommen und die Patientenorientierung im System stärken.

Es gebe erfolgreiche Beispiele aus dem europäischen Ausland wie das Schweizer Portal Medgate, wo eine Medikamentenverordnung bei Bedarf stattfinde. Dort würden seit dem Jahr 2000 bis zu 5000 Patienten täglich behandelt. Die telefonische Sprechstunde werde von den meisten Krankenversicherungen erstattet. Eine Videosprechstunde fände in einer kooperierenden Apotheke statt. Die telemedizinische Behandlung habe das Potential, vorhandene Versorgungslücken zu schließen und könne zugleich eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung sicherstellen. Durch ein Verbot würden Patienten in unseriöse Angebote gedrängt, befürchtet der VZBV.

Bedarf und Nachfrage der Patienten ließen sich an der zunehmenden Nutzung bereits existierender Angebote ablesen: „Apps zur Blutzuckerkontrolle zum Beispiel werden tausendfach von Diabetikern in App-Stores heruntergeladen. Die Angebote für verschiedene Online-Coachings durch die Techniker Krankenkasse haben in den letzten Jahren mehr als eine halbe Millionen Versicherte in Anspruch genommen. Den Wunsch, Videosprechstunden beim Arzt wahrnehmen zu können, bringen Versicherte in Umfragen mit sehr hohen Zustimmungswerten zum Ausdruck“, so die Verbraucherzentrale.

Ein pauschales DrEd-Verbot verstoße auch gegen die Berufsausübungsfreiheit von Ärzten, Apothekern und Telemedizinanbietern. Mit dem EU-Recht sei das angestrebte Verbot nicht vereinbar und hebele die in der Patientenmobilitäts-Richtlinie niedergelegten Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung aus. Explizit werde dort festgelegt, dass Verschreibungen aus jedem anderen Mitgliedsstaat anerkannt werden müssten.

Deutsche Versicherte seien außerdem nicht nur berechtigt, Gesundheitsdienstleistungen im Ausland wahrzunehmen, sondern könnten sich auch an eine nicht deutsche Versandapotheke wenden. Das beabsichtigte Fernverschreibungsverbot beruhe daher auf „Abschreckung aller Bürger“, die sich scheuen, Dienstleister im Ausland zu konsultieren.

Das BMG konterkariere damit auch den Ausbau von E-Health in Deutschland. Fernsprechstunden könnten zu einer barrierefreien Gesundheitsversorgung entscheidend beitragen, indem sie lange Wartezeiten oder Anfahrtswege zur nächsten Arztpraxis reduzierten. Insbesondere solche Patienten profitieren, die sich unsicher sind, ob sie einen Arzt aufsuchen müssen. „In Deutschland muss man einen Arzt in seiner Praxis konsultieren oder stundenlang in der Notaufnahme eines Krankenhauses sitzen, um zu erfahren, ob die vorhandenen Symptome gefährlich sind und man also einen Arzt benötigt“, so die Verbraucherzentrale.

Der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) verweist in seiner Stellungnahme ebenfalls auf Gröhes E-Health-Gesetz: Damit sei ein wichtiger Schritt zur Steigerung der Effizienz im Gesundheitssystem und der dringlich erforderlichen Digitalisierung des Gesundheitswesens getan worden. Der vorgelegte Gesetzentwurf beabsichtige, über das Heilmittelwerbegesetz (HWG) jegliche Werbung für Telemedizin – die sogar durch das Berufsrecht der Ärzte weitestgehend gutgeheißen und befürwortet wird – als „Teleshopping“ zu verbieten. „Damit wird aus Sicht des BVDVA ein guter Ansatz gleich wieder im Keim erstickt.“

Der möglichst barrierefreie Zugang zu neuen digitalen Dienstleistungen können und müsse „breiten Bevölkerungsschichten gerade durch Werbung“. Außerdem widerspreche das geplante Verbot der Fernbehandlung dem erklärten Ziel der Bundesregierung, wohnort- und patientennahe Versorgung anzubieten. Das Verbot widerspreche zudem der Jahrzehnte geübten Praxis der niedergelassenen Ärzte, telefonisch zu diagnostizieren und zu behandeln.

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