Rx-Versandverbot: Keine Gefahr für Botendienst Lothar Klein, 14.12.2016 16:48 Uhr
Eigentlich ging es in der heutigen Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages um das Pharmadialog-Gesetz. Das Rx-Versandverbot spielt darin keine Rolle. Trotzdem gab es dazu eine Frage an die ABDA. Ob der Rx-Versandhandel für die flächendeckende Versorgung notwendig sei, wollte SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar mit Blick auf den Botendienst wissen. Nein, antwortete von ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz prompt.
Dittmar verwies in ihrer Anfrage auf gut organisierte Botendienste in ländlichen Regionen, die teilweise auf der Genehmigung zum Versandhandel basierten. Ob diese Botendienste durch das vorgeschlagene Rx-Versandverbot gefährdet würden, wollte Dittmar wissen.
Das EuGH-Urteil greife massiv in die Versorgungsstrukturen ein und gefährde diese, reagierte Schmitz. Daher sei es geboten, darauf zu reagieren. Die Apotheker könnten die flächendeckende Arzneimittelversorgung jedoch „gut“ sicherstellen mit den Instrumenten der Apothekenbetriebsordnung. Als Beispiele nannte Schmitz den Botendienst und Zweitapotheken.
Keine Rolle in der Anhörung spielte die im Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes AM-VSG geplante Anhebung des Apothekenhonorars. Dazu gab es keine Frage. Keine Rolle spielte zudem eine Deckelung des Apothekenhonorars. Dies hatten die Gesundheitspolitiker der Koalition im Frühsommer als Reaktion auf den Pharmadialog vorgeschlagen. Daran hatten Vertreter der Koalitionsfraktionen nicht teilgenommen. Inzwischen ist die Debatte über einen Honorardeckel verstummt.
Die Anhörung beschäftigte sich naturgemäß mit den zentralen Inhalten des AM-VSG. In vielen Fragen ging es um die Vertraulichkeit der Erstattungspreise und um die Umsatzschwelle. Bis auf die Vertreter der Pharmaverbände stieß die beabsichtigte Geheimhaltung auf Kritik. Der GKV-Spitzenverband sieht darin nur einen Nutzen für die Hersteller: „Intransparenz schützt immer den Anbieter“, sagte Johannes von Stackelberg. „Ich kann sie nur dringend darum bitten, die Finger davon zu lassen. Was ist das für ein Deal?“ Statt die Preise geheim zu halten, müssten alle Preise in Europa veröffentlicht werden. Die Patienten hätten ein Recht darauf, die Preise zu erfahren.
Auch der als freier Sachverständige geladene Professor Dr. Ulrich Schwabe lehnt die Vertraulichkeit ab: „Es gibt überhaupt kein Argument dafür. Das ist ein Unding.“ Keinen Sinn macht aus Sicht der Befragten auch die Umsatzschwelle für neue Arzneimittel von 250 Millionen Euro, ab der der niedrigere verhandelte Erstattungspreis im ersten Jahr der Markteinführung greifen soll. „Der Schwellenwert ist eindeutig zu hoch“, sagte der Vertreter der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Der Erstattungspreis müsse ab dem ersten Tag gelten, waren sich alle Kritiker einig.
Nach wie vor kritisch sieht auch SPD-Fraktionsvize Professor Dr. Karl Lauterbach die geplante Geheimhaltung der Erstattungspreise: „Das ist ein Rückschritt und nicht mehr zeitgemäß“, sagte Lauterbach am Morgen vor der Anhörung. Lauterbach ist als SPD-Fraktionsvize nicht Mitglied des Gesundheitsausschusses. Die Bürger seien empört über „150.000 Euro Arzneimittelkosten für fünf Monate Lebensverlängerung“, so Lauterbach: „Die Bürger sind keine Kinder, sie müssen die Preise kennen.“
Notwendig sei eine Debatte über die Kosten medizinischer Innovationen: „Wir brauchen diese Diskussion, sonst droht eine Rationierungsdebatte“, so Lauterbach. Die Geheimhaltung der Erstattungspreise liege nur im Interesse der Hersteller, die sonst bei der Preisgestaltung unter Druck gerieten.
Fragen gab es in der Anhörung auch zur geplanten Abschaffung der Ausschreibungen in der Zytostatika-Versorgung. Der Bundesverband Medizintechnologie BVMed forderte die Beibehaltung der Ausschreibungen und deren Verschärfung. Nur so könne man die Qualität der Zyto-Versorgung kontrollieren. Man müsse die Regeln der Ausschreibungen auf europäischen Niveau anheben und das „Sechs-Augen-Prinzip“ herstellen: Dokumentation, Kontrolle und Freigabe von verschiedenen Personen, so der BVMed.
Begrüßt wurde das geplante Ausschreibungsverbot dagegen von der Deutschen Gesellschaft für onkologische Pharmazie (DGOP). Das Vertrauensverhältnis von Arzt und Apotheker in der gemeinsamen Versorgung von Krebspatienten dürfe nicht unterschätzt werden. „Ich möchte dringend darauf hinweisen, die Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker zu würdigen“, sagte Klaus Meier vom DGOP.
Nach der Anhörung geht die Beratung des AM-VSG jetzt im Bundestag weiter. Im Januar werden die Koalitionsfraktionen auf Basis der bisherigen Ergebnisse Änderungsanträge einbringen. Die Verabschiedung des AM-VSG ist für Ende Februar beziehungsweise Anfang März vorgesehen.