Kommentar

Alte Hüften und junge Wähler

, Uhr
Berlin -

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat sich öffentlich über die zunehmende Anzahl an Knie- und Hüftprothesen beschwert. Mitten im Wahlkampf und angesichts der derzeitigen Umfragewerte ist dies eine äußerst ungeschickte Äußerung, sollte man meinen. Der Aufschrei folgte prompt. Vielleicht ist Bahr aber auch ganz bewusst in genau dieses Fettnäpfchen getreten: Die FDP könnte es in Zeiten der Wählerwanderung Richtung Piratenpartei nämlich auf eine ganz bestimmte Zielgruppe abgesehen haben: jung, wohlhabend und privatversichert.

 

„Deutschland gilt als Weltmeister bei den Endoprothesen für Knie und Hüften. Krankenkassen und Experten bezweifeln, ob die Fallzahlsteigerungen notwendig sind“, sagte Bahr gegenüber der „Rheinischen Post“. Mit den Koalitionsfraktionen hatte er sich auf Abschläge geeinigt, die die Kliniken zahlen müssen, wenn sie gewisse Behandlungszahlen übersteigen.

Nicht überraschend: Das gesamte politische Spektrum reagierte mit einer Welle des Protestes auf die Ansage des Ministers. Neben SPD und Grünen gab es auch Kritik aus den eigenen Reihen: Der Vizechef der CDU-Sozialausschüsse, Christian Bäumler, nannte Rationalisierungen von Hüft- und Knie-OPs „menschenunwürdig“. Der Chef der CDU-Senioren-Union, Otto Wulff, sagte: „Dies käme einer Selektierung älterer Menschen nach dem Motto gleich: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.“

Dabei hätte Bahr einen unkomplizierten Weg in dieser Debatte einschlagen können: Für das politische Projekt, die steigenden Krankenhausausgaben zu deckeln, wäre die politische Zustimmung größer gewesen. Aber Bahr sprach ganz ausdrücklich über Knie- und Hüft-OPs.

Mit Hüftprothesen um junge Wähler zu werben, ist nicht neu: Der Chef der Jungen Union, Philipp Mißfelder, hatte 2003 mit einem Vorstoß gegen künstliche Hüften für Senioren schon einmal einen Aufschrei provoziert. Nun sagte er der Bild-Zeitung: „Die Ehrlichkeit von Gesundheitsminister Bahr ist ehrenwert, aber nicht genug.“

Brav ruderte Bahr zurück: In Deutschland bekämen die Patienten unabhängig von Alter und Einkommen die nötigen Behandlungen. „Und das soll auch weiterhin so bleiben.“ Berichte über Rationierung bei Älteren seien Unsinn, so Bahr. Doch ob Missverständnis oder nicht: Für ein paar Stimmen im jungen Wählerlager könnte es trotzdem gereicht haben.

 

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

APOTHEKE ADHOC Debatte