60 Jahre Niederlassungsfreiheit

Als das Apothekenstopp-Gesetz kippte

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Berlin -

Am 11. Juni jährt sich das sogenannte „Apotheken-Urteil“ zum sechzigsten Mal. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) etablierte damit die Niederlassungsfreiheit für Apotheker und beendete Jahrhunderte mit verschiedensten Quotenregelungen.

Das Urteil erstritten hatte ein Apotheker namens Karl-Heinz Röber. Er kam ursprünglich aus Sachsen und wollte sich im bayerischen Traunreut mit einer Apotheke selbstständig machen. Allerdings gab es in dem 6000-Seelen-Ort bereits eine Apotheke. Röber wurde die Eröffnung versagt, denn das bayrische Apothekengesetz sah vor, dass im Umfeld einer Apotheke mindestens 7000 Einwohner leben müssen.

Das BVerfG sah in der Regelung einen Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit. Der Senat entwickelte eine Dreistufentheorie, in der die Eingriffe in die Berufsfreiheit nach ihrer Intensität kategorisiert wurden. Die erste Stufe bildeten Berufsausübungsregeln wie die Apothekenbetriebsordnung, danach folgten subjektive Zulassungsbeschränkungen wie die Approbation. Die dritte Stufe bildeten objektive Zulassungsbeschränkungen wie Quoten. Eingriffe sollten fortan nur auf der Stufe möglich sein, die den geringsten Eingriff in die Berufsfreiheit mit sich bringt. Diese Grundsätze fanden zwei Jahre später dann auch Eingang in die in das neue Apothekengesetz.

Für Röber kam das Urteil allerdings zu spät. Er hatte mittlerweile sein Kapital verloren und arbeitete noch zehn weitere Jahre als angestellter Apotheker, bevor er sich mit der Zugspitz-Apotheke in Garmisch selbstständig machte. Die Apotheke wurde 2012 geschlossen.

Vor 1958 gab es eine Vielzahl von Gesetzen, die das Apothekenwesen regelten. Seit dem 13. Jahrhundert hatte sich die Richtlinie von 8000 Einwohnern pro Apotheke etabliert. Ohne Bedarfsplanung fürchtete man um die Arzneimittelversorgung: Versorge eine Apotheke weniger als 8000 Einwohner, sei sie wirtschaftlich nicht mehr rentabel, so die Überzeugung. Dies könne Apotheker dazu bringen, ihre Arzneimittel zu „verramschen“.

Wie stark diese Überzeugung in der Bevölkerung verankert war, zeigte sich nach dem zweiten Weltkrieg. Nachdem in der amerikanischen Besatzungszone 1949 die Niederlassungsfreiheit für Apotheken eingeführt wurde, stieg die Zahl der Apotheken dort stetig an. Um diese Entwicklung aufzuhalten, erließ der Bundestag 1953 das „Apothekenstoppgesetz“, das den Rechtszustand vor den Eingriffen der Besatzungsmächte wiederherstellen sollte. Dieses Gesetz hatte zunächst nur eine Geltungsdauer von sechs Monaten und wurde effektiv bis 1956 immer wieder verlängert.

Im Mai 1956 verwarf das BVerfG das Gesetz, da es nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen entspreche. Einige Monate später entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), die Vergabe von Betriebsrechten nach dem Kriterium der Betriebsberechtigungsjahre verletze das Grundrecht auf freie Berufswahl. Eine Apothekerin aus Nordrhein-Westfalen hatte geklagt, da sie nach dem Tod ihres Vaters nicht dessen Betriebsberechtigung erhielt, sondern ein Apotheker mit mehr Berufserfahrung. Das Urteil war allerdings nur für den Einzelfall gültig.

In anderen Ländern existiert die Bedarfsplanung noch, der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sie sogar für zulässig erklärt: Im Grundsatz haben die Richter in Luxemburg kein Problem mit der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, sofern sie der gleichmäßigen Verteilung der Apotheken im Land dient. Allzu einfach machen dürfen es sich die Länder aber nicht.

Im Februar 2014 hatte der EuGH entschieden, dass die österreichische Bedarfsplanung in der bestehenden Form unrechtmäßig ist: Eine starre Existenzsicherungsschwelle für die umliegenden Apotheken, wie sie das österreichische Recht vorsah, widersprach aus Sicht der Richter dem Unionsrecht. Es müsse Ausnahmeregelungen geben, die ein Abweichen erlaubten.

Der EuGH hatte bereits 2009 die Bedarfsplanung in Asturien als unzulässig kritisiert: Der damalige Mindestabstand von 250 Metern zwischen zwei Apotheken sowie eine Bevölkerungszahl von mindestens 2800 Einwohnern pro Apotheke war den Richtern zu pauschal, um eine gleichmäßige Versorgung zu gewährleisten. Auch beim italienischen Modell wurde 2011 das vorlegende Gericht beauftragt, die Vorgaben auf hinreichende Ausweichmöglichkeiten zu prüfen.

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