Bundestag beschließt Engpassgesetz

ALBVVG ist durch – viel Lob für Apotheken

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Berlin -

Nullretax wird eingeschränkt, Präqualifizierung weitgehen gestrichen, Austauscherleichterungen verlängert. Und für das Engpass-Management erhalten die Apotheken künftig 50 Cent. Der Bundestag hat in 2./3. Lesung das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) mit den Stimmen der Ampelfraktionen beschlossen.

Die Wahrheit sei, dass man lange vor einer gesetzlichen Regelung zurückgeschreckt sei und auf Selbstverpflichtungen gesetzt habe, so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „Das ist falsch gewesen.“ Bei Kinderarzneimitteln setze man Festbeträge und Rabattverträge aus, das koste zwar Geld, werde die Lieferengpässe aber bekämpfen. „Das ist es wert. Wir können die Kinder nicht im Regen stehen lassen.“

Rabattverträge seien gut und kosteten Geld, jetzt schaffe man aber die Voraussetzung, dass es eine Bevorratung für sechs Monate gebe. Das biete genügend Zeit, um drohende Engpässe zu überbrücken. Langfristig müsse man sicherstellen, dass die Produktion zurück nach Europa komme. Man fange mit Antibiotika an, werde aber in Kürze mit Krebsmedikamenten nachziehen. Das sei per Rechtsverordnung möglich, „wo auch immer es notwendig wird“.

Notfallsanitäter dürfen künftig auch dann bei der Versorgung von Verunglückten bestimmte Betäubungsmittel einsetzen, auch wenn kein Arzt vor Ort ist. Weiter verwies er auf Neuregelungen beim Antragsverfahren für medizinisches Cannabis und beim Drug Checking.

Union stimmt dagegen

Dr. Georg Kippels brach von einem Placebo-Gesetz, das die Probleme nicht löse. Außerdem sei es eine Mogelpackung: Nullretaxationen würden nicht abgeschafft, sondern es verbleibe noch eine Reihe an Fallgestaltungen. „Hier hätte man eine grundsätzliche Regelung finden müssen. Leider zu kurz gesprungen.“

Die Bevorratungspflicht schaffe viel Bürokratie, binde Kapital, bringe aber nichts ohne ausreichend produzierte Ware. „Dieses Gesetz hätte ein großer Wurf werden können, wenn Sie sich auch mit ihrem Ressortkollegen Robert Habeck zusammengesetzt hätten“, so Kippels mit Verweis auf dessen Ankündigungen bei einer VfA-Veranstaltung. Daher sehe sich die Union nicht in der Lage, dem Gesetz zuzustimmen. Man stehe aber für Diskussionen bereit.

Paula Piechotta (Grüne) stellte klar, dass man eher den Pharmadialog als Placebo bezeichnen könne als das ALBVVG. Man könne Kritik äußern, aber es sei doch noch viel reingekommen, auch durch die Änderungsanträge: Die Abgabeerleichterungen seien „enorme Verbesserungen für Apotheken“, so ein Beispiel. Außerdem verwies sie auf die Preissignale, die von den Festbeträgen ausgehen.

Die Eckpunkte für das Gesetz seien zwar im Herbst unter dem Eindruck der Engpässe entstanden, aber mit dem ALBVVG würden mehrere Versprechen aus dem Koalitionsvertrag eingelöst – Beispiel: Retaxationen. „Der Koalitionsvertrag ist an der Stelle nach anderthalb Jahren mit dem ALBVVG fast erfüllt.“

Apothekensterben beenden

Laut Jörg Schneider (AfD) reiht das ALBVVG mehrere Punkte aneinander, „die alle halbgar sind“. Gar nicht angesprochen worden sei das Sterben der Apotheken. „Das ist eine dramatische Situation. Wir werden Sie daran messen, wie es Ihnen gelingt, das Apothekensterben zu beenden.“

Lars Lindemann (FDP) bezeichnete das ALBVVG als Kompromiss, auf den weitere Schritte folgen müssten. „Wir müssen auch über die Dinge sprechen, die den deutschen Markt gar nicht erst erreichen.“ Bei der Distribution müsse man sich mit der regionalen Verteilung beschäftigen, Lieferengpässe seien nämlich nicht überall gleich gewesen. Daher müsse man über Vorgaben für den Großhandel sprechen, Apotheken habe man von Vorratspflichten aber ausgenommen.

„Ja, es gibt nur bedingt mehr Geld für die Apotheker“, so Lindemann. Man habe die Gesamtsituation in den Blick zu nehmen und daher Vereinfachungen durchgesetzt, etwa bei Retaxationen, Präqualifizierung und Abgeerleichterungen. Er sei Lauterbach dankbar, dass man für das erste Quartal erneut verabredet habe, um über Engpässe und die Rahmenbedingungen für die Pharmaindustrie zu sprechen.

„Mageres Trinkgeld“

Ates Gürpinar (Linke) warf der Bundesregierung vor, mit den Rabattverträgen Monopole zu schaffen, während es bei hochpreisigen Medikamenten keine Kontrolle gebe. „Sie möchten sich nicht mit den Mächtigen anlegen. Nur die Apotheken, die für Engpässe gar nichts können, werden verpflichtet, für ein mageres Trinkgeld nach Alternativen zu suchen.“

„Jeder von uns erwartet, dass beim Besuch in der Apotheke alles glatt geht und wir die Medikamente, die wir brauchen, auch bekommen“, so Martina Stamm-Fibich (SPD). Das sei in den vergangenen Monaten nicht immer der Fall gewesen. Einerseits hätten sich viele besorgte Patientinnen und Patienten aus Angst um ihre Medikamente an die Politik gewendet, anderseits viele frustrierte Apothekerinnen und Apotheker. Sie selbst habe die Zustände bei einem Besuch in einer Apotheke gesehen und danke den Teams ihr Engagement.

Daher gebe man den Apotheken beim Umgang mit Lieferengpässen mehr Freiräume, erleichtere den Austausch, schränke Retaxationen ein und baue Bürokratie ab durch Streichung der Präqualifizierung. Anderen Hilfsmittelanbietern stellte sie in Aussicht: „Wir haben Sie nicht vergessen!“ Mit dem Bürokratieabbaugesetz werde es auch für sie Erleichterungen geben.

Apotheken sind die besseren Kioske

Keine geeigneten langfristigen Maßnahmen, keine gezielte Strukturpolitik, so das Fazit von Diana Stöcker (CDU). Auch den Apotheken müssen man Perspektiven geben: „Was bringen Paralelstrukturen? Wir haben bereits ein Netz an ‚Kiosken‘, die Apotheken, flächendeckend und als bessere Alternative. Streichen Sie die Idee der Gesundheitskioske und stärken Sie die Apotheken vor Ort!“

Emmi Zeulner (CSU) kritisierte eine Interviewaussage von Piechotta, nach der Engpässe nur ein Randproblem der Apotheken seien. Engpässe seien ein massives Problem, daher unterstütze man die Forderungen nach einer besseren Vergütung. „Und deswegen ist es nicht redlich, mit 50 Cent umgerechnet nur 24 Sekunden Arbeitszeit zu bezahlen.“ Daher habe man einen Änderungsantrag eingebracht.

In Sachen Cannabis wolle man mehr, auch was Cannabis als Medizin angehe, so Dirk Heidenblut (SPD). Und außerdem freue er sich, dass mit dem ALBVVG bei den Retaxationen endlich etwas bewegt werde.

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