Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) fordert von der Bundesregierung die Einführung eines Versandverbots für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Auf ihrer Kammerversammlung am Mittwoch haben die Delegierten einstimmig und mit großer Zustimmung eine Resolution verabschiedet, in der sie fordern, ein RxVV in das geplante Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) aufzunehmen.
„Die XVII. Kammerversammlung der Apothekerkammer Nordrhein fordert den Gesetzgeber auf, ein Gesetz zur wirkungsvollen Stärkung der Vor-Ort-Apotheken in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen und in Kraft zu setzen“, formuliert die Kammer gleich zu Beginn, worum es ihr geht. Etwas verklausuliert erklärt sie dann, was damit gemeint ist: definitiv nicht das bisher geplante VOASG, sondern eines, das ein RxVV enthält. Denn jenes Gesetz „muss – im Gegensatz zum aktuell vorliegenden Entwurf des VOASG – als absolute Priorität den Patienten vor Qualitätsverlusten in der Arzneimittelversorgung schützen“. Die wiederum seien das Ergebnis eines falsch verstandenen Preiswettbewerbs im Gesundheitssystem.
Deshalb müsse neben der überbordenden Bürokratie in den deutschen Apotheken die Ungerechtigkeit bei der Preisgestaltung im Zusammenhang mit ausländischen Arzneimittelhändlern korrigiert werden: „Wenn der Schutz der Patienten vor falsch verstandenem Wettbewerb im Gesundheitssystem bedingt durch eine nicht vollständige Gleichpreisigkeit sowie die Sicherstellung der ordnungsgemäßen und flächendeckenden Arzneimittelversorgung nur durch ein Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel herzustellen ist, dann muss ein solches Versandverbot Eingang in das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken finden.“
Fast ein Jahr ist der Entwurf zum VOASG nun alt, am 17. Juli 2019 wurde er im Kabinett beschlossen, und zwar „mit dem Versprechen die öffentlichen Apotheken nachhaltig gegenüber der unfairen Konkurrenz der EU-Versender zu schützen“, so die Resolution. Geworden ist daraus bisher nichts. Stattdessen wurden Teilaspekte ausgegliedert und vorab gesondert beschlossen – „die Hängepartie um die Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit dauert jedoch immer noch an“.
Denn das geplante Rx-Boni-Verbot, das Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erst kürzlich in Brüssel verteidigen musste, führe nicht zu diesem Ziel. Im Gegenteil: Durch das geplante Rx-Boni-Verbot im GKV-Segment werde die Ungleichbehandlung zwischen inländischen und ausländische Arzneimittelversendern sowie zwischen GKV-Versicherten einerseits und Privatversicherten sowie Selbstzahlern andererseits gesetzlich festgeschrieben. „Demnach könnten Versender Privatversicherte auch künftig mit erheblichen Vorteilen locken“, so die Resolution. Wenn die Gleichpreisigkeit im PKV-Bereich aber de facto aufgehoben wird, dürfte demnach auch die rechtliche Begründung kaum gelingen, warum sie in der GKV weiter aufrechterhalten werden solle.
Denn die juristischen Aussichten auf einen Bestand der Pläne Spahns sieht die Kammer alles andere als positiv. Das BMG warte bereits viel zu lange darauf, sein Vorhaben mit der EU-Kommission sicherheitshalber abzustimmen. Dabei sei deren Votum bei einer zu erwartenden Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof ohnehin nicht rechtlich verbindlich.
Statt sich auf das Spiel einzulassen, verlangt die AK Nordrhein, dass die Bundesregierung Nägel mit Köpfen macht. „Ein zeitnahes, klares Bekenntnis zum Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist das einzige konsequente und wirksame Mittel zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken gegen den im falsch verstandenen Wettbewerb bevorzugten Versandhandel, so wie das auch in drei Vierteln aller EU-Staaten praktiziert wird.“ Denn es sei der einzige Weg, eine Rx-Preisbindung verfassungs- und europarechtskonform uneingeschränkt durchzusetzen. „Die Gleichpreisigkeit bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist ein grundlegender sozialrechtlicher Eckpfeiler für eine qualitativ hochwertige Beratung und den Erhalt der flächendeckenden Arzneimittelversorgung.“
APOTHEKE ADHOC Debatte