Verbraucherschutz

Aigner-Portal provoziert Lebensmittelindustrie APOTHEKE ADHOC, 20.07.2011 15:01 Uhr

Berlin - 

Ob Analogkäse oder Klebeschinken, Putenbrust mit Schweinefleisch oder ESL-Milch: Auf dem Internetportal lebensmittelklarheit.de können Verbraucher fortan auf Produkte hinweisen, deren Kennzeichnung aus ihrer Sicht mangelhaft oder irreführend sind. Trotz massiver Proteste aus der Lebensmittelindustrie gegen das Portal stellten Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) und der Chef der Verbraucherzentralen, Gerd Billen, heute in Berlin ihre Inititative „Klarheit und Wahrheit“ vor.

Durch die Website sollen etwa Fehler bei den Verkehrsbezeichnungen, der Herkunftskennzeichnung oder der Produktaufmachung ans Licht befördert werden. Bei klaren Rechtsverstößen, zum Beispiel fehlendem Mindesthaltbarkeitsdatum, soll das Redaktionsteam von lebensmittelklarheit.de außerdem die Überwachungsbehörden informieren. Das Portal stehe für mehr Transparenz, sagte Aigner. Auch in der Politik könnten die Erkenntnisse genutzt werden, um zu erfahren, „wo den Verbrauchern der Schuh drückt“.

Die Website wurde zunächst mit 20 Produktbeispielen in Betrieb genommen.
Angesiedelt ist das Projekt bei der Verbraucherzentrale Hessen, die die Verantwortung und Steuerung des Portals übernimmt. In regelmäßigen Chats sollen die Verbraucher zudem die Möglichkeit haben, Experten Fragen stellen zu können. Um die auf der Internetseite gewonnenen Erkenntnisse zu überprüfen, sollen Marktuntersuchungen und Verbraucherbefragungen stattfinden. „Wir hoffen auf einen regen Austausch und konkrete Hinweise zur Optimierung bestehender Kennzeichnungsregeln“, sagte Billen.


Die Lebensmittelindustrie verweist auf die Kosten, die dem Steuerzahler durch das Portal entstehen. Lebensmittelklarheit.de müsse nun einen „substantiellen Beitrag“ zur Information über Lebensmittel beitragen. „Nur so lassen sich die gut 750.000 Euro, mit denen das Projekt vom Bundesminsterium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) finanziert wird, vor dem deutschen Steuerzahler überhaupt rechtfertigen“, wusste Jürgen Abraham, Vorsitzender des Spitzenverbandes der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), zu kommentieren.

Die Nennung von konkreten Produkten mit Marke und Firma lehnt der Verband ab - und verweist auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen, nach denen die Konzerne heute viele Freiheiten haben: „Niemand darf durch eine öffentliche Zurschaustellung bestraft werden, wenn er sich an Recht und Gesetz hält; ob dies der Fall ist, entscheiden die Kontrollbehörden und letztlich die Gerichte“, so Abraham. Eine nicht legitimierte Instanz dürfe nicht darüber befinden, ob ein Produkt „quasi mit amtlichem Anstrich öffentlich abgewertet wird“.

Foodwatch verzichtete auf eine Mitteilung zum Thema - und stellte stattdessen ein Comic ins Internet: „Ein kleiner Schritt für die Verbraucher, aber ein Riesenschritt für Frau Aigner.“