Die Äußerungen des designierten Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) zur Essener Tafel finden in der rechtspopulistischen AfD Zustimmung. Der Position von Spahn „kann man zustimmen“, sagte AfD-Fraktionschef Alexander Gauland. Spahn habe seinen Posten auch seiner Partei zu verdanken. Die neuen Namen auf der Kabinettsliste würde es nicht geben, „wenn die AfD nicht ununterbrochen Druck machen würde“, so Gauland.
Die Wahlerfolge der AfD hätten dazu geführt, dass sich diese Bundesregierung – „wenn auch in Millimeterschritten“ – auch einmal „in die richtige Richtung bewegt“. In Teilen der CDU setze sich die Einsicht durch, „dass es so nicht weiter gehen könne“, so Gauland. Teile der CDU-Basis hätten damit begonnen, die Partei zu verlassen. Die Aussagen Spahns zeigten, dass man versuche „gegenzusteuern“. Aber nicht nur Spahn vertrete gelegentlich Positionen, „wo ich sagen kann, dem kann man zustimmen“, sondern auch die Fraktionschefin der Linken, Sahra Wagenknecht, und FDP-Vize Wolfgang Kubicki.
Unmittelbar vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages beteuerten Kanzlerin Angela Merkel (CDU), der designierte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und der künftige Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer, dass die neue GroKo bis zum Ende der Wahlperiode halten werde. „Ich gehe fest davon aus, dass die große Koalition vier Jahre hält“, so Merkel. SPD-Vizekanzler Scholz ergänzte: „Davon bin ich voll überzeugt.“
Als eine der Hauptaufgaben der GroKo bezeichnete Merkel die Herstellung von gleichwertigen Lebensverhältnissen „in allen Teilen Deutschlands“. Die Verhältnisse zwischen Stadt und Land seien inzwischen „sehr unterschiedlich“. Laut Seehofer gehört zu diesen Aufgaben auch die „Verbesserung der Gesundheitsversorgung für den ländlichen Raum.“
Die GroKo werde nach der Kanzlerwahl am Mittwoch „Tempo machen“, versprach Seehofer. Merkel kündigte „zügig“ eine Kabinettsklausur zur Abstimmung der Maßnahmen an: „Es drängt fast alles, was wir uns vorgenommen haben.“ Durch die komplizierte Regierungsbildung sei ein halbes Jahr verloren gegangen. Jedes Ministerium werde aber seine Prioritäten selbst setzen. Der Koalitionsvertrag sei vor allem für die Menschen in der Mitte der Gesellschaft gemacht. „Es ist ein Koalitionsvertrag für die kleinen Leute“, sagte Seehofer. Für sie seien Arbeitsplatzsicherung und bezahlbarer Wohnraum von vordringlichem Interesse.
Fast ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl unterzeichneten Merkel, Scholz und Seehofer den Anfang Februar ausgehandelten Vertrag für ihr künftiges Regierungsprogramm. Für die Fraktionen unterschrieben die Vorsitzenden Andrea Nahles (SPD) und Volker Kauder (CDU) sowie der Chef der CSU-Landesgruppe, Alexander Dobrindt. Auch die Generalsekretäre Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Lars Klingbeil (SPD) und Andreas Scheuer (CSU) unterzeichneten den Koalitionsvertrag.
Nach starken Einbußen bei der Bundestagswahl am 24. September stellen Union und SPD noch 56 Prozent der Abgeordneten im Parlament. Bei der Kanzlerwahl 2013 hatte Merkel im Bundestag mit 74,4 Prozent so viele Stimmen bekommen wie kein Regierungschef vor ihr. Den Verhandlungen für die neue große Koalition war ein gescheiterter Anlauf für ein Jamaika-Bündnis vorangegangen. Nach gut fünfwöchigen Sondierungen brach die FDP am 19. November die Gespräche mit der Union und den Grünen ab. Den Weg für ein neues schwarz-rotes Bündnis ebnete zuletzt noch ein Mitgliederentscheid der SPD.
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