Nach der zweiten Sondersitzung des Gesundheitsausschusses im Brandenburger Landtags zum Lunapharm-Skandal rückt jetzt der Präsident des Landesaufsichtsamtes (LAVG), Detlev Mohr, ins Blickfeld: Nach Auffassung der AfD hat Mohr den Ausschuss bei seiner ersten Sondersitzung falsch informiert. Das habe die Akteneinsicht ergeben. Mohr und das Gesundheitsministerium weisen die Vorwürfe zurück. Und der Skandal zieht weitere Kreise. Lunapharm lieferte auch nach Baden-Württemberg. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) will sich trotzdem in die Aufklärung nicht einmischen.
Bei der zweiten Sondersitzung war das LAVG überraschend nicht vertreten. Wahrscheinlich aus gutem Grund, vermutet die AfD-Fraktion. Er sei von der Kommunikation in seiner Behörde völlig ausgeschlossen gewesen, seine Mitarbeiter hätten ihn nicht informiert, hatte Mohr in der ersten Sondersitzung beteuert. Im Grunde genommen habe er gar nichts gewusst von möglicherweise gestohlenen und unwirksamen Krebsmedikamenten. „Der interne E-Mail-Verkehr entlarvt den Präsidenten des Landesamtes. Er war informiert“, so die AfD.
„Auch diese zweite Sondersitzung des Gesundheitsausschusses war nichts als ein erneutes rot-rotes Trauerspiel. Eine linke Ministerin, die alle Verantwortung für die Aufklärung ihres Skandals jetzt ihrer ‚Task-Force‘ zuschiebt, und ein SPD-Ministerpräsident, der sich unermüdlich für nicht zuständig und nicht aussagefähig erklärt und die Abgeordneten vor den Kopf stößt, indem er erklärt, er könne ‚nicht den ganzen Tag hier sitzen‘ und im Ausschuss bei der Klärung der Vorwürfe gegen sich und seine Gesundheitsministerin helfen“, kritisierte der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Dr. Rainer van Raemdonck.
Und Mohr bleibe dem Ausschuss fern. „Er wusste wohl, dass unsere Akteneinsicht ihn entlarven würde. Es ist ganz klar: Entgegen seiner bisherigen Aussagen hätte Mohr informiert gewesen sein müssen. Spätestens im Frühjahr 2017 war er per Mail über mögliche kriminelle Machenschaften in Kenntnis gesetzt worden – und handelte nicht. Warum?“, so van Raemdonck.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD, Birgit Bessin, fordert daraufhin Mohrs Rücktritt: „Für mich ist seit unserer Akteneinsicht klar, dass Mohr nicht länger Präsident des Landesgesundheitsamtes bleiben kann.“ Mohr habe sich in der ersten Sondersitzung disqualifiziert, als er erklärte habe, nichts gewusst zu haben. „Er hat sich jetzt erst recht disqualifiziert, nachdem bekannt ist, dass er im Ausschuss nicht die Wahrheit gesagt hat“, so Bessin. Ohne vorher ein Gespräch zu führen, habe er die eigenen Mitarbeiter angezeigt und jetzt, wo klar sei, dass sie keine Schuld treffe, gebe es vom Präsidenten kein Wort der Entschuldigung.
„Mohr kann keine Behörde leiten, er versagt bei der Personalführung. Dieser Mann darf keinen Tag länger verantwortlich zeichnen für Gesundheit und körperliche Unversehrtheit der Brandenburger“, so Bessin. Ministerpräsident Dietmar Woidke habe seiner Gesundheitsministerin bestätigt, sie genieße „momentan“ sein Vertrauen. Dann sei es jetzt an Golze, nun endlich einmal zu handeln: „Sie muss Mohr sofort entlassen. Das wird ihr das vermeintliche Allheilmittel ‚Task-Force‘ nicht abnehmen können", so die AfD-Abgeordnete.
Das brandenburgische Gesundheitsministerium wiederum weist die Vorwürfe gegen Mohr entschieden zurück. „Die Behauptung des AfD-Abgeordneten van Raemdonck ist falsch“, heißt es in einer Mitteilung. Mohr selbst sieht sich als Opfer der Umstände und sieht die Schuld bei seinen Mitarbeitern: „Besonders betroffen bin ich persönlich natürlich dadurch – das können Sie sich vorstellen –, dass ich von Mitarbeitern, die mein Vertrauen genossen haben, so falsch informiert worden bin“, so der LAVG-Präsident. „Das Ganze dreht sich immer wieder um das Gleiche: Es gab eine einseitige Berichterstattung. Es wurden Ermittlungsergebnisse verschwiegen. Es wurde mehrfach gegen Regeln verstoßen. Der Präsident ist von der Kommunikation völlig ausgeschlossen gewesen.“
Er habe am 28. Februar und am 4. April in den regelmäßig stattfindenden Abteilungsleitungsdienstbesprechungen „von Lunapharm gehört", so Mohr. Es sei am 28. Februar von der Abteilunsgleiterin darüber berichtet worden, dass geprüft wird, ob eine Großhandelserlaubnis von einer griechischen Apotheke vorliegen würde. „Aber es war nicht die Rede davon, dass es sich um gefälschte Arzneimittel handeln könnte."
„Am 4. April noch einmal im Wesentlichen das Gleiche", beteuert Mohr. „Da ging es darum, ob Lunapharm möglicherweise beteiligt oder betroffen ist. Es ging aber überhaupt nicht aus diesen Anmerkungen in einer Dienstberatung die Besonderheit des Vorgangs hervor.“
Im Lunapharm-Skandal sieht der Bund vorerst die für die Aufsicht zuständigen Länder am Zug. Das bundeseigene Paul-Ehrlich-Institut (PEI) unterstütze die Landesbehörden, teilte das BMG mit. Man beobachte die Aufklärung sehr genau. Vor möglichen weiteren Schritten sei aber die Aufklärung vor Ort abzuwarten. Das PEI prüft unter anderem Krebsarzneimittel im Rahmen der Zulassung. Nähere Angaben zur Amtshilfe für die Länder wurden dort auf Anfrage nicht gemacht.
Lunapharm soll in Griechenland gestohlene Krebsmedikamente an Apotheken in mehrere Bundesländer geliefert haben soll. In der Region Berlin/Brandenburg sind nach Erkenntnissen der Berliner Behörden mindestens 220 Patienten betroffen. Woidke hat umfassende Aufklärung zugesagt. Landesbehörden sollen jahrelang trotz vorliegender Hinweise auf einen illegalen Handel des Unternehmens nicht durchgegriffen haben.
Nach neuesten Informationen reicht der Lunapharm-Skandal bis nach Baden-Württemberg. Eine Sprecherin dortigen Sozialministeriums teilte mit, nach dem derzeitigen Kenntnisstand hätten im Südwesten zwei Apotheken und zwei pharmazeutische Großhandlungen betroffene Arzneimittel von Lunapharm bezogen. „Die beiden Apotheken haben die Arzneimittel jeweils zeitnah nach dem Bezug im Februar beziehungsweise März 2017 auf Rezept abgegeben“, sagte die Sprecherin.
Eine der beiden Großhandlungen habe ein Präparat an eine weitere Apotheke im Südwesten verkauft. Die andere Großhandlung habe die Medikamente an insgesamt drei Apotheken in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gegeben. Nach wie vor unklar ist, ob die Arzneien womöglich gesundheitsschädlich oder unwirksam waren.
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